Tatjana Sambale und Tom Talsky treten für die DKP Bayern zur EU-Wahl an

Haltung wählbar machen

Die DKP kandidiert zur EU-Wahl. Als einzige Partei in der BRD stellt sie den Kampf um Frieden und gegen Waffenlieferungen, gegen NATO-Politik, Hochrüstung und Wirtschaftskrieg in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. Sie steht konsequent gegen das Abwälzen der Kriegs- und Krisenlasten auf die Bevölkerung. UZ hat mit zwei bayerischen Kandidaten gesprochen, die beruflich und privat Haltung zeigen.

Tatjana Sambale ist 37 Jahre alt. Sie ist im Bezirksvorstand der DKP Bayern, bei ver.di und in der VVN-BdA aktiv. Die gelernte Altenpflegefachkraft studiert Gerontologie und Pflegepädagogik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sambale kandidiert auf Listenplatz 10.

UZ: Weshalb hast du dich entschlossen, für die EU-Wahl zu kandidieren?

Tatjana Sambale: Ich bin mit der kapitalistischen Gesamtsituation in der Welt unzufrieden. Deshalb möchte ich auf möglichst viele Arten versuchen, sie zu verändern. Natürlich wird das nicht allein durch Wahlerfolge geschehen. Aber indem wir jede Möglichkeit nutzen, mit unseren Positionen nach außen zu treten, können wir einen Beitrag dazu leisten, die herrschende Politik zumindest nicht unwidersprochen zu lassen. Kurt Tucholsky hat mal formuliert: „Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Widerspruch zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“ Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, sollten wir, denke ich, jedes Mittel, auch eine Kandidatur zur EU-Wahl, nutzen, damit andere Menschen die Chance haben, unser „Nein!“ zur aktuellen Politik auch wahrzunehmen.

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Tatjana Sambale

UZ: Welche politische Forderung hältst du aktuell für die wichtigste?

Tatjana Sambale: Frieden! Stopp der Aufrüstung. Nein zum Krieg. Gemäß dem Motto: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!“ Seit Jahren formulieren wir als DKP unsere grundsätzliche Ablehnung der imperialistischen BRD-NATO-Kriegspolitik in Flugblättern und Beschlüssen und darüber bin ich auch sehr froh. Aber gerade das hetzerisch-hysterische Kriegsgeschrei der letzten zwei Ampel-Jahre finde ich persönlich besonders unerträglich. Die Heuchelei, sich vermeintlich progressiv zu geben, um dann schikanöses Vorgehen gegen Geflüchtete, die Verschärfung der Repression und weitere Aufrüstung nicht nur mitzutragen, sondern aktiv voranzutreiben, finde ich auf eine Art unehrlich, dass ich manchmal gar nicht weiß wohin mit meiner ganzen Wut.

UZ: Als Gewerkschafterin kämpfst du engagiert für Entlastung – und prominent. Du hast ja schon in Fernsehsendungen mit Jens Spahn und Christian Lindner diskutiert. Konntest du mit deinen Kollegen zusammen konkrete Verbesserungen im Betrieb durchsetzen?

Tatjana Sambale: Unser größter Erfolg war die erstmalige Gründung unseres Betriebsrats in diesem privaten Pflegeunternehmen. Aktuell gibt es in neun von zehn Betrieben in der BRD keinen Betriebsrat mehr. Nur noch 39 Prozent aller Beschäftigten werden durch einen Betriebsrat vertreten. Hier sehe ich jeden politisch aktiven Menschen im Betrieb in der Verantwortung, sich zu engagieren. Allerdings gilt: Zwar ist ohne Betriebsrat alles schlechter, aber ein Betriebsrat alleine ist noch kein Allheilmittel. Es ist gut, als Betriebsrat Dienstpläne aktiv zu kontrollieren und ihnen notfalls auch bis vor die Einigungsstelle zu widersprechen, wenn Kolleginnen andauernd in Unterbesetzung arbeiten. Es ist richtig und sinnvoll, bestehende Beteiligungsrechte zu Entlohnungsgrundsätzen, Urlaub oder Verhalten im Betrieb zu nutzen. Aber die Gegenseite versucht zunehmend, die von ihnen selbst produzierten Missstände auf Station zu nutzen, um wegen „Pflichtverletzung“ gegen aktive Kollegen vorzugehen. Hier hilft nur die umfassende gewerkschaftliche Organisierung möglichst aller Betroffenen im Betrieb.

UZ: So eingespannt, wie du in Betrieb und Gewerkschaft bist – wie schaffst du es, da noch Zeit für Parteiarbeit aufzubringen?

Tatjana Sambale: Ich ringe ehrlich darum, beide Aufgaben nicht gegeneinander zu stellen, sondern die Erfahrungen aus dem einen Bereich meines politischen Lebens nutzbar zu machen für den jeweils anderen. Konkret heißt das: Nichts von dem, was ich im Betrieb umgesetzt habe, wäre ohne die jahrelangen Diskussionen und Schulungen über Gewerkschafts- und Interessenvertretungsarbeit in der DKP, aber vor allem auch in der SDAJ möglich gewesen. Und an vielen Zuständen, Widerständen und Dummheiten würde ich real verzweifeln, wenn ich keine Genossinnen und Genossen hätte, die ich um Rat fragen oder bei denen ich mich zumindest über die Widrigkeiten des Alltags beschweren kann. Ohne die Perspektive, dass es eine Gesellschaft jenseits kapitalistischen Profitzwangs geben kann und muss, könnte ich niemals als Altenpflegerin arbeiten, geschweige denn Gewerkschaftsarbeit machen. Gleichzeitig hoffe ich, dass es mir gelingt, manche meiner Erfahrungen auch innerhalb der Partei weiterzugeben und zu diskutieren, etwa im Rahmen unseres Branchentreffens Gesundheit oder der Kommision Betrieb und Gewerkschaft.

UZ: Du warst kürzlich auf einer Delegationsreise nach Guatemala zur Amtseinführung von Bernardo Arevalo und hast darüber auch im UZ-Blog berichtet. Hast du Eindrücke und Erkenntnisse gewonnen, die du in deinen Wahlkampf einfließen lässt?

Tatjana Sambale: Ich habe von Anfang an bewundert, wie klar und bewusst die allermeisten unserer Gesprächspartner aus dem Widerstandscamp, den Blockadestrukturen, der indigenen Selbstverwaltung und linken Organisationen den Wahlerfolg in einem zutiefst korrupten kapitalistisch-bürgerlichen Land mit einer äußerst gewalttätigen Vergangenheit und repressiven Gegenwart gesehen haben: Nämlich bestenfalls als ersten Schritt in einem länger dauernden Kampf um wirkliche Veränderungen. Es ging nicht darum, sich Illusionen über Arevalo, seine Regierung oder das System hinzugeben, sondern die eigenen Kampfbedingungen zu verbessern und Stärke aufzubauen. Viele formulierten das Ziel, nicht nur grundlegende, abstrakte Rechte zu verteidigen, sondern sich für ihre eigenen Interessen stark zu machen. Für viele Menschen war es das erste Mal überhaupt, dass sie kollektiv die Stimme gegen allgemeine, strukturelle, auch ökonomische Ungerechtigkeiten erhoben haben. Dass das geschehen ist, um ein bürgerliches Wahlergebnis zu verteidigen, war für viele kein Widerspruch, sondern völlig logisch, um ihre Ausgangsposition zu verbessern und von dort aus weiter zu kämpfen. Diese Kraft und Klarheit hat mich sehr beeindruckt und ich versuche, mich daran zu orientieren.

Tom Talsky ist 33 Jahre alt, Vorsitzender der DKP München und arbeitet als Gewerkschaftssekretär bei ver.di. Er kandidiert auf Listenplatz 36.

UZ: Die DKP sagt ja eigentlich Nein zur EU, weil die nämlich nicht reformierbar sei. Weshalb tritt die DKP trotzdem zur EU-Wahl an?

Tom Talsky: Das klingt erst mal wie ein Widerspruch. Aber gleichzeitig sagt die DKP ja auch, dass sie diesen bürgerlichen Parlamentarismus für nicht besonders zielführend hält, und sie zeigt die Grenzen dieses parlamentarischen Systems auf. Das bedeutet ja nicht, dass man nicht trotzdem dort für Veränderungen kämpft. Das EU-Parlament hat wenig Rechte, aber es kann als Plattform genutzt werden, über die man länderübergreifend Gemeinsamkeiten hervorheben und kommunistische Perspektiven aussenden kann.

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Tom Talsky

UZ: Kriege, Klimawandel, Inflation, Wohnungsnot, Rechtsruck, und und und – wo fängt man denn da an?

Tom Talsky: Da, wo es die Leute unmittelbar betrifft. Bei den großen Themen ist es oft so, dass ein gewisser Meinungsspielraum in der Öffentlichkeit vorgegeben wird, wo es dann die eine oder die andere Meinung geben kann. Aber einig sind sich die meisten Leute ja dann, wenn es ans Eingemachte geht, nämlich ans eigene Überleben, an Heizung, an Strom und so weiter. Das merke ich als Gewerkschaftssekretär schon, da ist relativ klar, welche Inte­ressen man vertritt. Wenn man von diesem Standpunkt ausgeht ist klar, auf welcher Seite man stehen muss.

UZ: Was sagen deine Kollegen zu deiner Kandidatur?

Tom Talsky: Das ist durchaus gemischt. Einige wissen, wie ernsthaft ich das mache und haben Sympathien dafür. Ich habe natürlich auch Unterstützer aus meinem Kollegenkreis, die sagen: Das ist super, dass du antrittst, auch wenn sehr wahrscheinlich ist, dass das nicht zu einem Umzug nach Brüssel führt. Alleine als Zeichen dafür, dass es eine tatsächliche Alternative für die arbeitende Klasse gibt, ist das ein wichtiges Signal, das auch im Kollegenkreis gut ankommt.

UZ: Weshalb kandidierst du?

Tom Talsky: Weil ich glaube, dass es immer wieder Mutige braucht, die ihr Gesicht auch dafür hergeben, die mit Gegenwind umgehen können, die eine Haltung vertreten. Das ist mir in meinem Job wichtig, das war mir schon immer privat wichtig. Ich stehe nicht umsonst namentlich im bayerischen Verfassungsschutzbericht. Solange man eine Haltung vertritt, macht man sich dafür nicht angreifbar, wenn die Haltung die richtige ist.

UZ: Damit die DKP tatsächlich antreten kann zur EU-Wahl, muss sie Unterstützerunterschriften sammeln. Wie organisiert ihr das in München?

Tom Talsky: Seit Monaten machen wir Infotische an beliebten Orten, zum Beispiel dort, wo Beschäftigte nach der Arbeit Pakete abholen oder regelmäßig einkaufen. Wir konzentrieren uns weniger auf das linke Spektrum, wo jeder schon seine Meinung hat, sondern mehr darauf, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und uns ihre alltäglichen Probleme anzuhören.

UZ: Noch hat die DKP ihr Unterschriftenziel nicht erreicht. Habt ihr Aktionen für den Endspurt geplant?

Tom Talsky: Wir werden bei den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München unter den tausenden Demonstranten noch mal um Unterstützung werben. Und haben noch einige Veranstaltungen geplant, wo wir im Vorfeld mit Leuten aus der Friedensbewegung, auch unorganisierten Menschen, ins Gespräch kommen und sie hoffentlich davon überzeugen, uns bei diesem Wahlantritt zu unterstützen, sei es durch eine Unterschrift oder auch später durch aktiven Wahlkampf.

UZ: Was plant ihr denn für den Wahlkampf?

Tom Talsky: Wir werden versuchen, für die Leute greifbar zu machen: Was ist die EU, welchen Charakter hat sie, wie beeinflusst die EU ihren Alltag – sei es in der Friedensfrage oder durch internationale Ausschreibungen, durch Lohndumping und so weiter. Wie das genau aussehen wird, überlegen wir uns, wenn wir wissen, wie viele Unterstützter wir haben.

UZ: Die Kriegstreiberei in diesem Lande und auch in der EU hat ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Welche Rolle spielen denn das NATO-Manöver, das gerade angelaufen ist, Quadriga, der Operationsplan Deutschland und ähnliche Geschichten für die DKP München im Wahlkampf?

Tom Talsky: Dieses Manöver soll ja zwei Sachen darstellen. Zum einen geht es um das tatsächliche Trainieren eines wie auch immer gearteten Ernstfalls, wo auch deutsche Truppen gen Osten mobilisiert werden, zum anderen geht es da auch um ideologische Kriegsführung. Der Bundeswehr wird immer wieder vorgeworfen, sie sei nicht kriegstüchtig. Solche Manöver sollen Einfluss auf den Alltag der Bevölkerung nehmen und als Begründung herhalten dafür, warum eventuell noch ein Sondervermögen „notwendig“ wird. Deswegen werden diese Manöver auch medial groß verbreitet. Ansonsten könnte man jede Verlegung von Truppen auch auf einem Truppenübungsplatz üben. Genauso findet die NATO-Sicherheitskonferenz nicht versteckt auf der Insel Rügen statt, sondern im Herzen von München in einem Luxushotel, weil damit auch symbolisiert werden soll, dass das gesellschaftliche Unterstützung hätte und eben nicht gegen die Interessen der Beschäftigten, der Arbeiterinnen und Arbeiter gerichtet sei.

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"Haltung wählbar machen", UZ vom 16. Februar 2024



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