Vormaiveranstaltung zum Postgesetz in Kassel

Heimatfront ansägen

„Auch keine Post bekommen?“ steht auf dem Transparent, das neben dem Infotisch auf dem Boden ausgebreitet liegt. Die Antwort gibt es auch: „Unser krummer Rücken und euer leerer Briefkasten haben denselben Grund: Aktionärsprofite.“ Es ist von der Gruppe kämpferischer Postler erstellt worden. Gemeinsam mit dem Forum Gewerkschaften – eine bereits seit mehr als 30 Jahren bestehende lokale Vernetzung kämpferischer Kolleginnen und Kollegen – hatten sie zur Vormaiveranstaltung in das Kasseler Café Buch-Oase geladen.

UZ-Autor Tim Laumann war als Referent eingeladen. Er sprach zum Thema: „Was passiert mit dem neuen Postgesetz?“ Laumann beschrieb die betrieblichen Vorbereitungen der Post auf die Ausdünnung der Versorgung sowie die massive Arbeitsverdichtung und zeigte das Kapitalinteresse dahinter auf. Das Postgesetz passe zum Kapitalinteresse „wie Arsch auf Eimer“ und damit auch zum Programm der Bundesregierung. Es hebele demokratische und soziale Rechte aus, garantiere „Kriegstüchtigkeit“ und Monopolprofite.

Laumann schätzte ein, dass durch das neue Postgesetz auch bisherige Möglichkeiten der Arbeiter, sich unterhalb der Ebene des Streiks zur Wehr zu setzen, massiv erschwert würden. Die angedrohten Veränderungen seien dazu geeignet, die Kampfkraft weitergehend zu untergraben.

Seine Gewerkschaft ver.di kritisierte Laumann dafür, dass sie die Aktionärsprofite nicht angreife, sondern stattdessen sogar beteuere, man wolle die Finanzierung sicherstellen. So könne sich keine sinnvolle Gegenwehr entwickeln. Die Gewerkschaft brauche die Perspektive einer gesellschaftlichen Alternative, um den aktuellen Abwehrkampf konsequent führen zu können, so sein Fazit.

In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass sich das grundsätzlich andere Herangehen der kämpferischen Postler in der Alltagspraxis im Betrieb niederschlage: Dabei gehe es um Solidarität und Organisation anstelle der Unterordnung und des sich Einlassens auf das neue Führungsprinzip bei der Post, die „indirekte Steuerung“.

Gemeinsam sei zudem erkannt worden, dass eine grundsätzlich andere Haltung allein noch keine Arbeiterpolitik nach sich ziehe. Dazu müssten die ver.di-Gremien für die Diskussion gewonnen, demokratisiert und für die Kolleginnen und Kollegen und deren Anliegen geöffnet werden. Eine andere Politik im Alltag, in den betrieblichen und gewerkschaftlichen Gremien, müsse kollektiv in der Arbeiterbewegung durchdacht werden. Das gehe aber nur ohne und gegen die Stellvertreterpolitik.

Mit der gemeinsamen Unterzeichnung des Aufrufs „Gewerkschaften gegen Krieg und Aufrüstung“ endete die Veranstaltung am Vorabend des 1. Mai in Kassel. Ungefähr 30 Kolleginnen und Kollegen, Mitglieder des Forums Gewerkschaften, der SDAJ und der DKP hatten teilgenommen. Konsens war, dass eine solche Veranstaltungen zu konkreten betrieblichen Kämpfen und der „großen Politik“ gut tut und wiederholt werden sollte.

„Gemeinsam an der Heimatfront sägen“, sagte ein Kollege am Ausgang, „das ist mal ne Aufgabe.“ Recht hat er.

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"Heimatfront ansägen", UZ vom 10. Mai 2024



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