Ostermarsch 2020 nicht nur virtuell

Im Stream und auf der Straße

Die Ostermärsche „konnten sich noch einmal vollkommen neu erfinden“, wertet das Netzwerk Friedenskooperative aus: Die traditionellen Demonstrationen der Friedensbewegung mussten wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr abgesagt werden. Mit Livestreams und Flugzeugen, mit Fotos und in Warteschlangen fand die Friedensbewegung andere Wege, um ihre Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen.

Auf „ostermarsch.de“ konnten diejenigen, die dieses Jahr nicht demonstrieren konnten, Bilder von ihren Fahnen, Plakaten und Transparenten hochladen. Ein „virtueller Ostermarsch“ fand als Livestream bei YouTube statt. Über Stuttgart und anderen Städten in Baden-Württemberg kreiste ein Flugzeug, das ein Transparent hinter sich zog: „Abrüstung jetzt! Ostermarsch 2020“. In vielen Städten wurden bei Osterspaziergängen Plakate und Transparente aufgehängt.

Die Behörden gingen erneut völlig unterschiedlich mit den Resten der Versammlungsfreiheit um. In Berlin wurde ein Mini-Ostermarsch von 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – mit Abstand – nicht genehmigt. In Schwerin hingegen durften sich 40 Menschen zu einer Kundgebung unter dem Motto „71 Jahre Grundgesetz, 60 Jahre Ostermärsche, 2 Monate Corona“ in der Nähe des Schlosses versammeln.

Bereits am Karfreitag erinnerten in Dortmund Antifaschistinnen und Antifaschisten und Friedensbewegte daran, dass die Gestapo dort vor 75 Jahren gefangene Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer ermordet hatte. Die übliche Veranstaltung fiel aus, stattdessen kamen die Menschen einzeln und mit Abstand zum Mahnmal. In Potsdam stellten sich vor einem Bäcker rund 200 Menschen in eine 700 Meter lange „politische Warteschlange“ – mit Transparenten, die auf die Lage der Geflüchteten in den Lagern auf den griechischen Inseln aufmerksam machten. Die Polizei reagierte mit Platzverweisen.

In Frankfurt am Main hatte Ulrich Wilken, Landtagsabgeordneter der Linkspartei, eine Motorrad-Demonstration angemeldet. Der Motorradclub „Kuhle Wampe“ wollte unter dem Motto „Abrüsten statt Aufrüsten“ durch die Stadt fahren – Wilken hatte darauf hingewiesen, dass Motorradfahrer es gewohnt sind, einen Sicherheitsabstand von mehr als zwei Metern einzuhalten. Aus der Friedensbewegung war dazu aufgerufen worden, sich mit Fahnen, Transparenten und ausreichend Abstand an der Route der Motorräder aufzustellen. Die Stadt Frankfurt verbot die Demo, weil angeblich der Infektionsschutz nicht mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten sei.

Schon eine Woche vor Ostern hatte die Polizei in Frankfurt gezeigt, was sie unter Infektionsschutz versteht: Am Mainufer hatten sich 400 Aktivisten der „Seebrücke“ mit Plakaten und Mundschutz in Abständen von über zwei Metern aufgestellt. Die Polizei räumte die Aktivisten, einige nahm sie fest. Die Beamten, die Demonstranten abführten, trugen keinen Mundschutz.

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"Im Stream und auf der Straße", UZ vom 17. April 2020



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