Zum Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen

Im Vorstand Deutschlands

Pünktlich zu ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende brachen die Umfragewerte für die Grünen ein. Die Hauptstadtpresse schlug im Vorfeld hart auf Spitzenkandidatin Annalena Baerbock ein. Vor allem Springers „Welt“ scheint mit der grünen Vision einer „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ nicht glücklich. Dabei hatte Baerbock die Eckpunkte dieses New-Deals in ihrer Rede um „eine verbindliche Verabredung“ konkretisiert: nämlich, „dass der Staat den Unternehmen die Kosten ausgleicht, die sie zusätzlich noch erbringen müssen“. Wie schon mit der EEG-Umlage soll der gesamte Umbau der Wirtschaft aus öffentlichen Geldern finanziert werden.

Am Wochenende diskutierten die Delegierten über teilweise und indirekte Rückzahlungen der CO2-Abgaben an „sozial schwache Schichten“. Preissteigerungen mit sozialem Antlitz, kann das gehen? Die Grünen-Führung möchte 60 Euro jährliche CO2-Mehrkosten für alle, Teile der Basis sogar 80 Euro. Wie so oft an diesem Wochenende konnte sich die Spitze durchsetzen. Sie verhinderte die Forderung nach Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um 200 Euro ebenso wie die nach Aufhebung der Schuldenbremse oder der Enteignung von privaten Wohnungsriesen.

Auch beim neuen Markenzeichen – deutsche Weltmachtpolitik – kam es zu einzelnen Kontroversen. Zum Beispiel darum, ob der Entwurf des Wahlprogramms um eine Aussage gegen bewaffnete Drohnen ergänzt werden solle. Der Parteitag machte das Gegenteil und votierte stattdessen, wenn auch knapp, für den optionalen Einsatz dieser Kriegswaffen. Von großen Grabenkämpfen war trotz dieses Tabubruchs nicht viel zu merken. Am Ende bekam das teils neoliberale, aber vor allem außenpolitisch aggressive Wahlprogramm 99 Prozent Zustimmung der Delegierten.

Als Gastredner war Siemens-Vertreter Joe Kaeser anwesend. Dieser hatte die Grünen noch im Januar im „Handelsblatt“ aufgefordert, regierungsfähig zu werden, um dann Erfolg zu attestieren. Auf dem Parteitag befand er, die Partei habe eine „große Chance, von der Abteilungsleitung Umwelt in den Vorstand Deutschland aufzusteigen“.

Die Grünen-Spitze zeigt, dass sie sensibel für die Herausforderungen ist, die der wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik China dem deutschen Kapital abverlangt. Bis zum Wahltag wird sich zeigen, ob auch andere Kapitalvertreter auf einen sozial-ökologisch genannten Umbau setzen. Die Grünen stehen bereit, die dafür notwendigen Mehrheiten zu organisieren.

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"Im Vorstand Deutschlands", UZ vom 18. Juni 2021



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