Parteiloser Kandidat führt die Liste der DKP in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg an – Ein Bericht aus der Hauptstadt

Im Wahlkampf

Von Klaus Linder

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Der Wahlkampf der Berliner DKP läuft. Die Zulassungsunterschriften für unsere Kandidaturen wurden gesammelt, täglich kommen im Stadtbild neue DKP-Plakate dazu. Die Präsenz in stadtpolitischen Konfliktfeldern spiegelt sich wieder in unserer Kandidatenliste für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Auf Platz 1 kandidiert Ali Gülbol. Der parteilose Genosse wurde 2013 Opfer einer spektakulären Zwangsräumung, die über 1 000 Blockierer auf die Straße brachte. Ein horrend teurer Großeinsatz der Polizei war nötig, um Alis Familie aus der Wohnung zu schmeißen.

Ali wurde zum Symbol für das Mietenunrecht. Seit den Blockaden datiert Alis gute Zusammenarbeit mit der DKP. Ergänzt wird unser Spitzentrio durch die Genossen Klaus Meinel, den jährlichen Anmelder der LL-Demo, und Peter Neuhaus, der in zahlreichen Kiezaktivitäten gegen Nazis, Zwangsräumungen und rund um den 1. Mai einen hervorragenden Ruf unter unseren Bündnispartnern hat.

Höchste Mieten und niedrigste Einkommen treffen aufeinander

Die Brutalisierung der Klassenauseinandersetzungen ist in unserem Kiez besonders sichtbar – nicht nur, weil höchste Mieten und niedrigste Einkommen aufeinandertreffen. Die Zunahme staatlicher Repression ist für viele Bewohner täglich Brot. Zu „Gefahrengebieten“ ernannte Kieze werden durch Polizeipräsenz in den Straßen und mit Hubschraubern darüber belagert.

Die Sonderbefugnisse für die Polizei bedeuten erfahrbare Einschränkung demokratischer Bürgerrechte. Wie der Senat mit Innensenator Henkel (CDU) und die Polizei ohne Anlass eskalieren, um die Stimmung in der Bevölkerung anzuheizen, wurde durch die illegale Räumung der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain bundesweit bekannt.

Auch ein Teil Kreuzbergs wurde unter der grünen Bezirksbürgermeisterin Hermann im Zuge der Räumung einer von Flüchtlingen besetzten Schule wochenlang in ein polizeilich abgeriegeltes Sperrgebiet verwandelt. Die Themen für die DKP liegen hier also auf der Straße.

Unseren Hauptstoß führen wir gegen die regierende CDU/SPD sowie die grüne Bezirksregierung. Entsprechend die Losungen der eigenständigen Plakat- und Flyeraktion unserer Gruppe: „Zwangsräumungen verhindern“, „Polizei raus aus unseren Kiezen“, „Unser Team gegen Miethaie, Investoren und Henkel“, „Fluchtverursacher statt Flüchtlinge bekämpfen“.

Den Schwerpunktwahlkampf im Bezirk sehen wir als arbeitsteilige Qualifizierung der zentralen Themen der Landesorganisation. Für uns ist der Dreiklang „Gegen Verdrängung“ (für bezahlbaren Wohnraum), „Gegen Faschisierung/Faschisten“ und „Gegen Kriegspolitik“ verpflichtend. Gerade das Friedensthema gehört unserer Auffassung nach auch in den Kommunalwahlkampf, das haben etliche Gespräche auf der Straße bestätigt. Allein die Zusammenhänge der Flüchtlingssituation und die repressive, spalterische Flüchtlingspolitik des Senats, aber natürlich auch die wachsende Kriegsgefahr machen das Thema „Frieden“ zu einem Prüfstein für die Politik der herrschenden Parteien. Anders als die Linkspartei, die im Hinblick auf eine rosa-rot-grüne Koalition das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten will, geht die DKP Friedrichshain-Kreuzberg hier in die Offensive. Das bezeugt unser Plakat: „Frieden statt NATO“, mit dem wir vorhergehende Aktionen unserer Gruppe fortsetzen.

Gegen erkennbare Gegner kämpfen

In der Wohnungsfrage knüpfen wir an die Forderung der Landesorganisation nach einem neuen kommunalen Wohnungsbau an: „Öffentlich bauen statt Private fördern“! Zugleich halten wir für unerlässlich, im Kampf gegen massenhafte Verdrängung den Stoß gegen erkennbare Gegner zu führen. So begleiten wir unseren Wahlkampf durch Anwohnerversammlungen und Informationsveranstaltungen zu den Raubzügen der „Deutsche Wohnen“ AG. Außerdem sind wir im Widerstand gegen Bebauungspläne in Friedrichshain, womit wir auch den Unterschied zwischen dem von uns geforderten Wohnungsbau und einem rein profitorientierten anschaulich machen. Gerade in dieser Frage gibt es übrigens gravierende Unterschiede zur Berliner Linkspartei, die, wiederum zwecks Kompatibilität mit SPD und Grünen, auf prinzipielle Fortführung Investoren-orientierter „Förder“-Modelle setzt.

Die Gruppe Friedrichshain-Kreuzberg ist eine der wenigen DKP-Gliederungen, die sich über einen Ost- und einen Westbezirk erstreckt. Die Ausrichtung unseres Wahlkampfs muss dem genauer Rechnung tragen als es in der allgemeinen Orientierung der Landesorganisation geschieht. Wir wenden uns gezielt an WählerInnen, die als BürgerInnen der DDR nach über einem Vierteljahrhundert Konterrevolution Schlüsse ziehen, was die verschärfte Generaloffensive der deutschen Monopolbourgeosie gebracht hat – Kriege und gesteigerte Verelendung, Hetzpropaganda und Antikommunismus inklusive. Dafür hängen wir ein eigenes Plakat speziell im Ostbezirk Friedrichshain. Ausdrücklich stehen wir ein „für die Verteidigung der antifaschistischen Gedenkkultur insbesondere der DDR in Friedrichshain“.

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Anders als bei den Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahlen vor fünf Jahren müssen wir berücksichtigen, dass viele Protest- und Widerstandsstrukturen – von der Antifa bis zur Mieterbewegung – aufgrund der Offensive des Gegners tiefe Veränderungen und auch Auflösung erfahren. Eine Methode zur Unwirksammachung von Protesten besteht im scheinbaren Aufgreifen ihrer Losungen durch die Parteien des Abgeordnetenhauses. Mit solcher Irreführung gelang es beispielsweise, ein gestartetes Mietenvolksbegehren vom Senat übernehmen zu lassen und in der Konsequenz inhaltlich vollkommen verpuffen zu lassen. Vorfeldstrukturen von Grünen und der Partei „Die Linke“ waren in diesem scheindemokratischen Prozess aktiv dabei. In dieser Lage verschärfter Abwehrkämpfe stützt die DKP Friedrichshain-Kreuzberg ihren Wahlkampf nicht auf unhaltbare Versprechungen und flotte Sprüche. Als eine Partei, die zu dem steht was sie sagt und im Kampf gegen Profitinteressen, Ausverkauf der Kommune und Schuldenbremse nicht umkippt, halten wir es trotz aller außerparlamentarischen Verankerung für entscheidend zu vermitteln, wofür es sinnvoll ist, als Stimme des Widerstands in die BVV einzuziehen. Als konsequente Opposition gegen Sozialabbau, gegen antidemokratisch-reaktionäre Maßnahmen und gegen Kriegsvorbereitung wollen wir wahrgenommen werden. Wo uns das gelingt, zeigen Gespräche mit Wählern immer wieder: Man traut uns offenbar mehr zu als die bloße Versicherung „nicht mitspielen“ zu wollen.

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"Im Wahlkampf", UZ vom 19. August 2016



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