Rede von Dieter Keller (ehem. Vorsitzender des DGB-Ortsvereins Fellbach) auf der Montagsdemonstration in Waiblingen am 10. Oktober

Jetzt protestieren statt im Winter hungern und frieren

Dieter Keller

Ich bin begeistert von dem bunten Bild, den vielen Losungen und der Gestaltung des Platzes. Ich danke für die Einladung, hier zu sprechen.

Ich danke den Initiatoren für die Durchführung der Montagsdemonstrationen. Den Herrschenden und Regierenden in unserem Lande gilt es, einen Heißen Herbst zu bereiten. Denn inmitten weltweiter Kriege und Zerstörung und des rigorosen Sozialabbaus in unserem Lande können und dürfen wir nicht schweigen.

Ich wünschte mir allerdings, dass sich die Initiatoren um eine größere Breite von Veranstaltern bemüht hätten. Der Kampf gegen die sozialen Grausamkeiten der Kriegs- und Krisenlasten des Kapitals ist zentral und menschenübergreifend. Die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfordern den gemeinsamen Kampf insbesondere mit Gewerkschaften und Sozialverbänden.

Auch hier gilt: Nur gemeinsam sind wir stark.

Noch nie seit 1945 hat eine deutsche Regierung so massiv an der Eskalation eines Krieges gedreht und einen solchen Sozialabbau betrieben wie die jetzige. Dazu wird der Ukraine-Krieg rigoros benutzt und genutzt.

Ich verurteile den Krieg in der Ukraine, wie auch die anderen Kriege. Er ist nicht mein und auch nicht unser Krieg. Dieser Krieg hat eine Vorgeschichte: Die militärischen Einkriesung und Bedrohung Russlands durch die NATO. Für mich die größte Kriegs- und Terrorororganisation der Welt. Sie gehört abgeschafft.

Wir wollen Frieden schaffen ohne Waffen.

Ich frage mich, welche Intelligenzbestie haben wir da als Außenministerin. Sie will deutsche Waffen in die Ukraine liefern, weil deutsche Waffen Leben retten. Nein, auch deutsche Waffen retten kein Leben. Auch sie bringen Tod, Verderben, Leid und Zerstörung. Das wollen wir nicht.

Wir wollen Frieden schaffen ohne Waffen!

Wir sind mit aller Entscheidenheit gegen Waffenlieferungen in die Ukraine, ebenso wie nach Saudi-Arabien, VAE und Ägypten, die einen barbarischen Krieg im Jemen führen.

Baerbock will den Krieg auch nicht beenden. Sie will Russland „ruinieren“. Ohne Parallelen zu ziehen – das hatten wir schon öfter in der deutschen Geschichte.

Russland soll „ruiniert“ werden, um den Weg frei zu schießen gegen China. Verteidigungsministerin Lambrecht und die Rüstungskonzerne liefern dazu Waffen und schweres Kriegsgerät. FDP und CDU/CSU ist das alles noch zuwenig. In den Rüstungskonzernen knallen die Sektkorken. Blut fließt: Ihre Aktien und Profite steigen.

Baerbock bringt mit dieser unsäglichen Äußerung die Marschroute der NATO und der USA zum Ausdruck. Als Außenministerin wären eigentlich Gehirnschmalz und Diplomatie gefordert, das aber scheint man bei ihr vergebens zu suchen. Ihr Programm ist Krieg statt Verhandlungslösung.

Dieser Krieg ist der Vorwand für viele Veränderungen, die schon vorher geplant waren und eingeleitet wurden, die aber ohne den Krieg so nicht durchzusetzen gewesen wären. Erinnert sei an die DGB-Kundgbebung vom 26. Februar dieses Jahres auf dem Markplatz. Da haben wir schon gegen den massiven Anstieg der Inflation, insbesondere der Energiepreise, der Mieten und bei Lebensmitteln protestiert.

Die Mittel für die staatliche Daseinsvorsorge werden in einem nie gekannten Ausmaß umgeschichtet zugunsten der Bundeswehr, der Kriegsführung und der Energie- und Rüstungskonzerne. Einige Fakten im Telegrammstil:

  • Gas- und Energiepreise explodieren! Laut des Vergleichsportals Verivox verteuerte sich Heizöl im September im Vorjahresvergleich um 114 Prozent und Erdgas um 235 Prozent (STZN 7. Oktober). Bei mir in einem Jahr von 908 Euro auf 2.278 Euro
  • Rekordinflationsrate: zehn Prozent. So hoch wie seit 1951 nicht mehr
  • Mieten und Mietnebenkosten schießen durch die Decke
  • Horrend steigende Lebensmittelpreise
  • Reallohneinkommen im Tiefflug
  • Der Pflegnotstand wächst! Krankenhäuser sind marode oder werden gleich ganz geschlossen
  • Altersarmut steigt. Und immer mehr Menschen sind arm trotz Arbeit
  • Lebenshaltungskosten sind für Millionen Menschen bis hinein in den Mittelstand nicht mehr zu stemmen. Ganz zu schweigen von dem Millionenheer der Armen.

Soziale Armut in einem der reichsten Länder der Welt – das ist mehr als ein Mangel an Gerechtigkeit, das ist eine Schande und gleichzeitig das wahre Gesicht des kapitalistischen Profitsystems.

Dagegen und gegen das soziale und friedenspolitische Totalversagen der Ampel braucht es Protest!

Deshalb: Raus auf die Straße, Flagge zeigen und gemeinsam Widerstand leisten. Lieber jetzt demonstrieren als im Winter hungern und frieren. Genug ist genug. Deshalb Preise runter Löhne und Gehälter rauf!

Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Krieg in der Ukraine wurde genutzt, um wie aus der Pistole geschossen über Nacht am 27. Februar ein zusätzliches Militärprogramm von 100 Milliarden Euro zu beschließen. Dafür wurde gar das Grundgesetz verändert. Das lange umstrittene Zwei-Prozent-Ziel der NATO wird umgesetzt.

Diese Gelder fehlen bei uns an allen Ecken und Enden. Im Gesundheits- und Erziehungswesen, im Bildungs- und sozialen Bereich, beim Klima sowieso. Die Regierungspolitik ist eine einzige Katastrophe.

Immer mehr Menschen erkennen und sind empört, dass der Wirtschaftskrieg gegen Russland ein Rohrkrepierer, ein Schuss ins eigene Knie ist. Er ist nicht gegen die russischen Oligarchen gerichtet, sondern bedeutet Verelendung von Millionen Menschen hierzulande.

Dagegen setzen wir uns mit Entschiedenheit zur Wehr.

Einer unserer Forderungen wurde bereits Rechnung getragen. Die Gasumlage wird zurückgezogen. Sie ist passé. Die Wut und Empörung in der Bevölkerung, die deutschlandweit angekündigten Aktionen zeigen Wirkung. Das heißt für uns: Weitermachen. Gemeinsam Widerstand organisieren und leisten: Die Arbeiter-, Gewerkschaftsbewegung und soziale Bewegungen gemeinsam mit der Friedens- und Klimaschutzbewegung.

Der wochenlange Hickhack um das so genannte dritte Entlastungspaket der Bundesregierung zeigt, in welchem Dilemma die Herrschenden und ihre Regierungen in Bund und den Ländern stecken.

Die weit überhöhten Energiepreise, unter denen das Volk leiden muss, werden noch nicht gesenkt.

Wir fordern die sofortige Senkung der Preise zumindest auf den Stand vom Juni 2021 und nicht nur Beruhigungspillen. Lassen wir uns davon nicht ins „Bockshorn“ jagen. Erheben wir weiterhin unseren Protest.

Notwendig wäre die Rekommunalisierung und Verstaatlichung der gesamten Energieversorgung bei demokratischer Kontrolle.

Was wir brauchen, ist eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von Oben nach Unten. Doch das Gegenteil geschieht.

Die Bundesregierung will 200 Milliarden für die „deutsche Volkswirtschaft“ ausgeben, um diese vor den Folgen des Ukraine-Kriegs zu schützen. Wir leben nicht in einer „deutschen Volkswirtschaft“, sondern in einer kapitalistischen Profitwirtschaft. Eine Gesellschaft, in der sich einige Wenige den gesellschaftlichen Reichtum, den die Arbeiterklasse erarbeitet, aneignen.

Diese Gesellschaft gehört abgeschafft. An ihre Stelle muss eine neue treten. Eine ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Eine solidarische Gesellschaft, in deren Mittelpunkt der Frieden und die Menschen stehen und nicht der Profit der Reichen und Superreichen, der Banken und Konzerne.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit