USA behindern Diplomaten und Journalisten am Hauptsitz der UNO

Keine Achtung vor Vereinten Nationen

Kuba wirft den USA vor, ihren Status als Gastland der Vereinten Nationen zu missbrauchen, indem Arbeitsmöglichkeiten und Bewegungsfreiheit von akkreditierten kubanischen UNO-Diplomaten und deren Familien willkürlich eingeschränkt werden. Die USA verstießen damit gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gastlandabkommen, erklärte das Außenministerium in Havanna (Minrex) am Mittwoch vergangener Woche. Auch andere Länder hatten in der Vergangenheit kritisiert, dass Washington den Sitz der Weltorganisation in New York völkerrechtswidrig dazu nutze, Diplomaten unliebsamer Staaten den Zugang zur UNO zu verwehren. Mehrere Anträge, den Hauptsitz der Weltorganisation an einen neutralen Ort zu verlegen, fanden bisher jedoch keine Mehrheit.

Nach Mitteilung des Minrex hat der Geschäftsträger der kubanischen Mission, Botschafter Yuri Gala López, gegenüber dem Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beziehungen zum Gastland die Verstöße angeprangert, denen Diplomaten seines Landes ausgesetzt seien: „Indem das Gastgeberland selektiv und willkürlich das Abkommen über den Sitz anwendet, missbraucht es seine Stellung und verletzt offen das Prinzip der souveränen Gleichheit, das in der UN-Charta verankert ist“, so Gala López. Er betonte, dass sich die UNO nicht zum Komplizen machen dürfe und forderte, das Verhalten der USA künftig zu unterbinden. „Die Organisation kann sich nicht an den wiederholten Verletzungen der Charta, des Abkommens über den Sitz und des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1975 beteiligen“, erklärte der Vertreter Havannas. Nach internationalen Regeln besitzen UNO-Diplomaten besonderen Schutz. Unter anderem wird der freie Zugang aller 193 Mitgliedsländer zu Aktivitäten der internationalen Organisation garantiert. Dies ermöglicht auch Diplomaten und Politikern von Ländern, die Washington als Gegner betrachtet, zum Hauptsitz der Vereinten Nationen nach New York zu reisen. Laut Yuri Gala López schränken US-Behörden aber jetzt die Bewegungsfreiheit kubanischer Diplomaten in einem Maße ein, das die „Erfüllung ihrer Aufgaben“ behindere. Zudem bezeichnete er die „diskriminierende Behandlung bei der Erteilung von Visa gegenüber einigen Mitgliedstaaten“ als „einen Verstoß, der nicht nur die Arbeit der Organisation behindert, sondern es den Delegationen auch unmöglich macht, ihre Aufgaben unter gleichen Bedingungen wahrzunehmen“.

Washington behindert darüber hinaus auch die Berichterstattung kubanischer Journalisten. Zwei bei den Vereinten Nationen akkreditierte Korrespondenten von „Prensa Latina“ warten bereits seit Dezember 2019 auf ihr Visum. Der Verband der Korrespondenten der Vereinten Nationen (UNCA) hat die Verzögerung der Visa-Ausstellung durch die USA mehrfach kritisiert. Die Präsidentin der UNCA, Valeria Robecco, erklärte im Mai, sie sei „überrascht“ über diesen „unerklärlichen“ Vorgang. „Die kubanische Nachrichtenagentur hat ein Büro bei der UNO und ich hoffe wirklich, dass die Situation so bald wie möglich gelöst wird“, so die italienische Journalistin. Wie „Prensa Latina“ mitteilte, hatte sich die UNCA in den vergangenen zwei Jahren mehrfach an die Vertretung der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen (USUN) gewandt, um sich nach dem Status der Visa zu erkundigen. Die USUN habe zunächst mitgeteilt, dass sich beide in der „administrativen Bearbeitung“ befänden, dann aber nicht mehr auf E-Mails der UNCA-Präsidentin geantwortet.

Mit ähnlichen Maßnahmen versucht Washington bereits seit längerer Zeit, Diplomaten an der Wahrnehmung ihrer Rechte zu hindern. Im Februar 2022 wiesen die USA zwölf bei den Vereinten Nationen akkreditierte Vertreter Russlands wegen „Spionage“ aus. Die Diplomaten hätten sich an „Tätigkeiten“ beteiligt, „die unserer nationalen Sicherheit entgegenstehen“, erklärte die US-Vertretung bei den Vereinten Nationen wenige Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine. Der Krieg musste aber offensichtlich nur als willkommener Vorwand herhalten. Denn bereits zwei Jahre zuvor hatte die UN-Abrüstungskommission (UNODA) den Beginn ihrer Jahrestagung verschieben müssen, weil dem Leiter der russischen Delegation, Konstantin Woronzow, kein US-Visum ausgestellt worden war. Auch im September 2018 hatten die USA einem großen Teil der russischen Delegation für die UNO-Vollversammlung die Einreise verweigert. Neben Russland und Kuba befinden sich auch andere Länder wie Venezuela, Nicaragua, die Demokratische Volksrepublik Korea und der Iran im Fadenkreuz Washingtons. Anfang Januar 2020 verweigerten die USA dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, der zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats über sein Land anreisen wollte, das Visum.

Noch bleibt die Willkür Washingtons ohne Folgen. Ein von Angola, Burundi, Nicaragua, Syrien und Russland im November 2019 verfasster Antrag, den Hauptsitz der UNO in ein anderes Land zu verlegen, war nur von 18 Ländern, darunter China, Kasachstan, Syrien, dem Iran sowie mehreren lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten, unterstützten worden. 69 Delegationen stimmten dagegen, während sich 72 enthielten. Einen ähnlichen Vorstoß hatte Venezuelas damaliger Präsident Hugo Chávez bereits 2005 unternommen. In der UNO-Vollversammlung hatte er gefordert, den Hauptsitz der Vereinten Nationen an einen neutralen Ort zu verlegen. Der ohne UNO-Mandat geführte Irak-Krieg habe gezeigt, dass Washington keinen Respekt vor der Weltorganisation habe, begründete er seinen Vorschlag. Der Irak sei trotz Einwänden der UNO bombardiert und besetzt worden, obwohl es dort keine Massenvernichtungswaffen gegeben habe, sagte Chávez damals. „Deshalb schlagen wir der Vollversammlung vor, dass die Vereinten Nationen dieses Land verlassen, das die Regeln und Resolutionen dieser Versammlung nicht achtet.“

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"Keine Achtung vor Vereinten Nationen", UZ vom 22. Juli 2022



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