Gewerkschaftliche Forderung massiv unterlaufen – Stahlkocher von Tarifabschluss enttäuscht

Keine Sternstunde der IG Metall

Von Willi Hendricks

Die Stahlunternehmen und die Gewerkschaft IG Metall einigten sich am Sonntagmorgen auf einen neuen Tarifvertrag. Demnach sollen die Löhne ab März 2019 um 3,7 Prozent steigen. Für die Monate Januar und Februar gibt es insgesamt eine Einmalzahlung von 100 Euro.

Ab 2020 gibt es eine zusätzliche tarifliche Vergütung in Höhe von 1 000 Euro, ausgezahlt jeweils zum 31. Juli. Diese Vergütung kann in freie Tage umgewandelt werden, bis zu fünf freie Tage seien möglich. Der Tarifvertrag läuft bis zum 28. Februar 2021.

Beide Seiten werteten die Einigung als schwierigen, aber vertretbaren Kompromiss. „Wir haben in den letzten drei Monaten und auch in den letzten 16 Stunden hart miteinander gerungen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, betonte IG-Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler.

Der ausgehandelte Tarifvertrag zwischen IGM und Stahl bleibt weit unter den Erwartungen der 72 000 Stahlarbeiter. Ursprünglich hatte die IG Metall für die Stahlkocher in NRW, Niedersachsen und Bremen 6 Prozent mehr Geld für 12 Monate gefordert sowie 1 800 Euro zusätzliche Urlaubsvergütung. Die Arbeitgeber hatten eine Erhöhung von 2,5 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten angeboten. Nunmehr beträgt die Laufzeit 24 Monate. Die Forderung nach Erhöhung der Ausbildungsvergütung und 600 Euro zusätzliche Urlaubsvergütung für die Auszubildende bleibt unerwähnt. Mehr als die Hälfte der gewerkschaftlichen Forderung bleibt auf der Strecke.

Das Lamento des Verhandlungsführers der Stahlunternehmer und Chefs von Thyssenkrupp-Steel, An­dreas Goss, blieb nicht ohne Wirkung. Hatte zu Anfang der Tarifverhandlungen noch zugeben müssen, dass das Stahlgeschäft boomt, so kam er im Verlauf der Verhandlungsrunde am 18. Februar zu einer anderen Auslegung: „Die jüngsten Ergebnisse der meisten unserer Mitgliedsunternehmen waren alles andere als erfreulich. Eine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage unserer Industrie ist nicht in Sicht.“ In einem Zeitungsbeitrag vom 1. März setzte Konzernchef Guido Kerkhoff noch eins drauf: „Thyssenkrupp ging und geht es nicht gut.“ Schwarzmalerei gehört zum Standard der Verschleierung in der Konzernzentrale. Missmanagement und desaströse Fehlkalkulationen zurückliegender Jahre gehen zu Lasten der Belegschaften. Die Verursacher werden mit hohen Abfindungen in Rente geschickt.

Es ist schwer zu verstehen, dass die IG Metall den Ansinnen der Konzerne anstandslos stattgegeben hat. Die Kampfbereitschaft der Stahlkocher wurde nur sporadisch eingesetzt, mehr Druck hätte sicher ein günstigeres Ergebnis erbracht.

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"Keine Sternstunde der IG Metall", UZ vom 22. März 2019



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