Aber laut Umfragen liegt die Thüringer Linkspartei vorn

Kniefall vor der Rechten

Von Arnold Schölzel

Am 27. Oktober finden in Thüringen Landtagswahlen statt. Vor fünf Jahren wurde die CDU mit 33,5 Prozent zwar stärkste Partei, aber zum ersten Mal seit 1990 aus der Regierung verdrängt. Die Partei „Die Linke“ hatte unter Bodo Ramelow 28,3 Prozent erreicht und bildete zusammen mit SPD (12,4 Prozent) und Grünen (5,7 Prozent) eine Koalition, die im Landtag über eine Mehrheit von einer Stimme verfügte. Die AfD kam mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke aus dem Stand auf 10,6 Prozent.

Als Anfang November 2014 die Koalitionsverhandlungen begannen, kam es erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik zu Demonstrationen aus solchem Anlass. Sie wurden von DDR-Bürgerrechtlern gemeinsam mit SPD-, CDU- und FDP-Mitgliedern sowie Faschisten organisiert. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck fragte, ob die Linkspartei schon so weit weg sei von den Vorstellungen, die die „SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“ Heute zieht Gauck eine positive Bilanz Ramelows. Am 3. Oktober erklärte er bei „n-tv“, der habe gezeigt, „dass er mit einem linken Profil dieser Gesellschaft nicht schadet“.

Das hat sich Ramelow redlich verdient. Im August 2018 berichtete die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, er werbe hinter den Kulissen schon seit längerem für Koalitionen mit der CDU. Als einem, der bei jeder Gelegenheit seine Frömmigkeit zur Schau stellt, fiel es ihm leicht, alle Rituale der DDR-Dämonisierung zu absolvieren und in der Präambel des Koalitionsvertrages von 2014 absurde Glaubenssätze wie diesen unterzubringen: „Weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.“

Das hatte praktische Konsequenzen. Der Jenaer Historiker Ludwig Elm hielt in seiner 2018 erschienenen Broschüre „Rechte Geschichtspolitik unter linker Flagge“ (pad-Verlag Bergkamen) fest: Die jährlichen „Berichte der Landesregierung“ über die DDR-„Aufarbeitung“ übernehmen die Deutungsmuster der reaktionären „Bundesstiftung Aufarbeitung“, um die DDR „als das wohl dunkelste Phänomen der deutschen Geschichte überhaupt“ zu denunzieren. Ramelow „überbiete“ in einem „Kniefall vor der Rechten“ deren Sprechweise und verewige sie administrativ. Am 18. September meldete dpa: „Um die Unterdrückung von Christen in der DDR zu untersuchen, erhält ein Forscherteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena 600000 Euro.“ Eine ähnliche Förderung von Forschungen zum deutschen Faschismus ist nicht bekannt. Thüringen beherbergt immerhin die KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. In der Weimarer Republik war es 1930 das erste Land, in dem die NSDAP in eine Regierung kam.

Bei Gesinnungspolitik beließ es Ramelow aber nicht. Seine Regierung verknüpfte rechte Politik mit sozialen Elementen. So verfügte Thüringen zwar 2015 einen Abschiebestopp für Asylsuchende, danach aber wurde abgeschoben. Das Wahlalter bei Kommunalwahlen wurde auf 16 Jahre gesenkt, für etwa 1 000 Langzeitarbeitslose gab es öffentlich geförderte Arbeitsplätze und 2018 wurde das letzte Kitajahr kostenlos. Seit 2014 wurden 1 500 Lehrer eingestellt, der Mangel an ihnen aber nicht behoben. Ansonsten regierte der neoliberale Mainstream: Schuldenbremse, Sozialpartnerschaft und Bekenntnis zu „verantwortlichem Unternehmertum“. Aus der Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde dessen Umbenennung in „Amt für Verfassungsschutz“, die Zahl der V-Leute reduziert, Etat und Stellenzahl wurden gesteigert. Im Bericht des Amtes für 2017 werden DKP und SDAJ als Organisationen, die sich „gegen grundlegende Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ richten, denunziert.

Ramelow hat seine Partei bis zur Ununterscheidbarkeit angepasst. Die führt den Wahlkampf allein mit seiner Person und die Rechnung scheint bis jetzt aufzugehen. In einer Umfrage von Ende September lag „Die Linke“ bei 29 Prozent, gefolgt von AfD (24 Prozent) und CDU (23 Prozent), SPD und Grüne kamen jeweils auf 9 Prozent, die FDP landete unter 5 Prozent.

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"Kniefall vor der Rechten", UZ vom 11. Oktober 2019



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