Drei Jahre Haft für mutmaßliches PKK-Mitglied

Kniefall vor Erdogan

Von Birgit Gärtner

Während auf höchsten politischen und militärischen Ebenen debattiert wurde, wie die kurdische Guerilla am effektivsten in ihrem Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen sei, und die Welt mit den Kurdinnen und Kurden im Kampf um Kobane, dem Zentrum Rojavas, dem kurdischen Teil Syriens entlang der Grenze zur Türkei, mitfieberte, wurde der Kurde Mehmet D. wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§ 129b StGB) verhaftet. Mitgliedschaft in der PKK nämlich, derselben „terroristischen Vereinigung“, der u. a. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Waffen schicken wollte.

Mehmet D. soll es in der PKK unter dem Decknamen „Kahraman“ (Held) zum leitenden Kader gebracht, und zunächst in NRW, dann in der „Sektion Nord“ Beiträge kassiert, Spenden gesammelt und Menschen zur Teilnahme an Protest-Demonstrationen motiviert haben. Am vergangenen Freitag wurde er deswegen vor dem Hamburger Oberlandesgericht (OLG) zu drei Jahren Haft verurteilt. Die Bundesstaatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft gefordert.

Um zu beweisen, dass die PKK für „Mord und Totschlag“ stehe, zählte der Richter bewaffnete Aktionen der PKK auf türkischem Staatsgebiet im Anklagezeitraum auf. Zwar tat er auch seine Überzeugung kund, dass der türkische Staat Waffen an Al Qaida geliefert habe und ein Agent des türkischen Geheimdienstes MIT u. a. die kurdische Politikerin Sakine Cansiz am 9. Januar 2013 in Paris ermordet sowie mit übermäßiger Härte Menschenrechtsverletzungen gegen Kurden und Oppositionelle begangen habe. Trotzdem, so die Schlussfolgerung, habe die PKK nicht das Recht, gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei vorzugehen.

Die Behauptung, der Beschuldigte sei ein „hochrangiger Kader“ wurde u. a. daran festgemacht, dass er das Newrozfest 2013 sowie das kurdische Kulturfest in Dortmund im September 2013 mitorganisiert habe. Außerdem sei er zur Konfliktschlichtung zwischen verfeindeten kurdisch-yezidischen Familien nach Bielefeld gerufen worden. Das reicht, um aus ihm ein Mitglied der PKK zu machen, ihn als „Terroristen“ abzustempeln, und zu einer langjährigen Haftstrafe zu verurteilen. Die Logik des Gerichts sei absurd und zudem die falsche Weichenstellung, kommentierte Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Links-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, das Urteil: „Mit dem Urteil des OLG Hamburg wird indirekt die menschenfeindliche Politik der Regierung Erdogan/Davutoglu unterstützt. Wer Frieden und Demokratie in der Türkei sowie dem Mittleren Osten will, muss die PKK und die Selbstverwaltung der Menschen in Rojava auf Augenhöhe anerkennen und endlich auch die Kriegsverbrechen der Türkei sanktionieren. Ein erstes positives Signal wäre es, … das PKK Verbot aufzuheben sowie sämtliche inhaftierten kurdischen PolitikerInnen aus der Haft zu entlassen.“

Außerdem bemängelte Dolzer den Verlauf des Verfahrens. Die zuständigen Richter hätten nahezu sämtliche Anträge der Verteidigung abgelehnt. Durch die exzessive Anwendung des so genannten Selbstleseverfahrens wurde die Verteidigung in ihrer Dynamik beschränkt. Unzählige Akten wurden nur von den Verfahrensbeteiligten gelesen, jedoch nicht im Prozess behandelt.

Vergangene Woche wurde in Bonn der 56-jährigen Bedrettin K., ebenfalls wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§ 129b StGB), festgenommen. Er war bereits 22 Jahre in türkischen Gefängnissen, unter anderem im berüchtigten Foltergefängnis von Diyarbakir, inhaftiert und hat ein Herzleiden.

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"Kniefall vor Erdogan", UZ vom 4. September 2015



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