Über den Freispruch der VW-Personalvorstände

Legaler Freiverkauf

„Man kann eine Kuh nur melken, wenn sie Milch gibt“, so beschrieb der ehemalige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh jüngst als Zeuge vor der Strafkammer des Landgerichts Braunschweig sein Erfolgsrezept. Die Sitzungsstaatsanwältin war baff. Fußt ihre Anklage gegen die vier VW-Personalvorstände, die Osterloh (Spitzname: „König von Wolfsburg“) binnen fünf Jahren 3,125 Millionen Euro „Aufwandsentschädigung“ und Boni zuschanzten, doch auf der seltsam altmodischen Annahme, die Vergütung eines freigestellten Betriebsrats müsse sich an dessen Lohnniveau vor der Freistellung ausrichten. Paragraf 37 Absatz 4 Betriebsverfassungsgesetz sagt Ähnliches.

Weit gefehlt, Schnee von gestern, meinte das Gericht und sprach die Manager frei. Die Nachfolger Osterlohs im VW-Betriebsrat wittern für ihre eigene bedrückende Einkommenssituation bereits Morgenluft. Mit den alten Hüten der Begrenzung der Betriebsratsvergütung müsse nun endlich aufgeräumt werden, das Landgericht habe ein „eindeutiges Signal an den Gesetzgeber“ gesandt. Die Tradition des Betriebsratskaufs bei VW spricht dafür. Man erinnert sich: Vor 16 Jahren kam heraus, dass Osterlohs Vorgänger im Konzernbetriebsrat, Klaus Volkert, zwei Millionen Euro an Boni vom damaligen Personalvorstand Peter Hartz erhielt, plus 400.000 Euro für Volkerts brasilianische Geliebte. Auch VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer, der seinen Mannen vom Betriebsrat Lustreisen, Partys und Nachtclubbesuche organisierte, sorgte im Konzerninteresse für Willfährigkeit der vermeintlichen Arbeitervertreter.

Osterloh hat diese Niederungen inzwischen hinter sich gelassen. Aus dem Co-Manager bei VW wurde im April des Jahres ein Manager der VW-Lkw-Tochter Traton. Jetzt bekommt Osterloh ein Vielfaches der schlappen 700.000 Euro pro Jahr, die er zuvor einstrich. „Der Gedanke hat mich schon immer gereizt, meine Qualitäten als Manager praktisch unter Beweis zu stellen“, sagt er seiner neuen Hauspostille, dem Manager-Magazin. Vielleicht veröffentlicht der König von Wolfsburg demnächst auch einen Ratgeber. Einen von der Art „10 Tipps, um Millionär zu werden“. Der Titel steht noch nicht fest. „10 Arten, sich kaufen zu lassen“ würde passen.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Legaler Freiverkauf", UZ vom 8. Oktober 2021



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