Ford-Beschäftigte bereiten sich auf Arbeitskampf vor

Zukunft oder Widerstand

Marco Gaetano

Ein Jahr ist es her, dass Ford verkündete, ab 2025 in Saarlouis keine Autos mehr bauen zu wollen. Aktuell wird noch das Modell „Focus“ produziert. Von 2013 bis 2023 sank der Ford-Marktanteil im europäischen Pkw-Geschäft von 7,4 auf 3,7 Prozent. Die Antwort des Managements darauf lautet „Bronco statt Focus“ – wie das Magazin „Automobil-Industrie“ titelte. Der Bau der vergleichsweise günstigen Modelle „Focus“ und „Fiesta“ wird eingestellt. Stattdessen orientiert man sich auf lukrative „Premium-Modelle“, die künftig als E-Autos vom Band rollen sollen.

Während in Saarlouis 2025 Schluss ist, endet die Produktion des „Fiesta“ in Köln schon Anfang Juli. Dort wird anschließend ein „Elektro-SUV“ gebaut. Knapp zwei Milliarden Euro investiert Ford dafür in den Standort. Bei der Eröffnung des neuen E-Auto-Werks in Köln knallten die Sektkorken.

Die Perspektive für die saarländische Belegschaft ist dagegen trüb. Außer vagen Andeutungen, dass man sich in Gesprächen mit potenziellen Investoren befinde, haben Landesregierung und Konzernleitung nichts Handfestes vorzuweisen. Die IG Metall pocht auf eine Lösung, bei der die großindustriellen Strukturen und möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das „beste Szenario“ sei, wenn „ein Automobilhersteller, ein Erstausrüster anstelle von Ford in Saarlouis Autos produzieren würde“, sagte der Leiter der IG Metall Bezirk Mitte, Jörg Köhlinger, in der „Saarbrücker Zeitung“. Man wolle kein „Sammelsurium von Ansiedlungen“.

Die bisherigen Lösungsansätze für die 4.600 Beschäftigten im Werk plus die 1.500 bei den umliegenden Zulieferern sind Stückwerk: Zwar gibt es eine Zusage für eine Beschäftigungssicherung von 1.000 Ford-Arbeitsplätzen bis 2032, was die aber machen sollen ist unklar. Für diejenigen, die über 55 Jahre alt sind, gibt es Altersteilzeitangebote. Zudem wurde den Kolleginnen und Kollegen angeboten, in das Kölner Werk zu wechseln.

Angesichts dieser Lage rüstet sich die IG Metall für den Fall, dass sich kein „großer Investor“ finden sollte und der Großteil der Arbeitsplätze verloren geht. Weil Streiks für den Erhalt von Arbeitsplätzen hierzulande verboten sind, kämpfen die Beschäftigten für ein „soziales Auffangnetz für alle, die ihren Job voraussichtlich im Sommer 2025 verlieren“, in Form eines Sozialtarifvertrags. Vergangenen Donnerstag lud der Betriebsrat deshalb zu einer Betriebsversammlung. Die Stimmung war gereizt: Wegen eines andauernden Buhkonzerts konnte Ford-Deutschland-Chef Martin Sander seine Rede nicht beenden und musste die Bühne vorzeitig verlassen.

Im Anschluss wurde versucht, die wütenden Arbeiter wieder etwas einzufangen. Man befinde sich in „fortgeschrittenen Verhandlungen mit Investoren mit dem Potenzial, rund 2.500 Arbeitsplätze zu schaffen“, ließ Ford verlautbaren. Davon unbeeindruckt bereitet die IG Metall eine Urabstimmung für einen Streik vor. Falls es zu keiner Einigung hinsichtlich der Sozialtarifforderungen komme, werde das „die teuerste Werkschließung des Unternehmens in Europa“.

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"Zukunft oder Widerstand", UZ vom 30. Juni 2023



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