Streikende fordern: Wer für Hamburg arbeitet, muss auch in ­Hamburg leben können

Lohnlücke schließen!

Marie Schmidt

Am 7. November versammelten sich 4.000 Streikende aus dem öffentlichen Dienst der Länder vor dem Gewerkschaftshaus in Hamburg. Die Stimmung war kämpferisch und laut. Kein Wunder angesichts der Provokationen der Arbeitgeberseite. ver.di fordert für die Beschäftigten 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro für alle, sowie eine Stadtstaatenzulage in Höhe von 300 Euro beziehungsweise 150 Euro für die Azubis und Zulagen für den Sozial- und Erziehungsdienst.

Von den Arbeitgebern kamen in der zweiten Verhandlungsrunde statt Angeboten nur Kampfansagen. Statt einer Stadtstaatenzulage wollen sie nur eine Mobilitätszulage in Höhe von lächerlichen 12,25 Euro zahlen. Statt einem Lohn, von dem die Kolleginnen und Kollegen leben können, kam der Hinweis, dass sie doch Wohngeld beantragen könnten. Statt Zulagen für den Sozial- und Erziehungsdienst gab es die Aussage, dass man lediglich in Berlin ein Problem sähe und erst nach der Tarifrunde darüber sprechen wolle.

Beim Thema Stadtstaatenzulage versuchte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Andreas Dressel, die Belegschaften zu spalten. Wiesbaden, Frankfurt und Hannover seien auch teuer, so Dressel, es sei daher nicht einzusehen, warum es für die Stadtstaaten mehr Geld geben solle. Die Stadtstaatenzulage ist jedoch nichts anderes als nachholende Gerechtigkeit. In Berlin, Bremen und Hamburg verrichten die meisten der Beschäftigten im Bereich der Länder kommunale Tätigkeiten, werden jedoch nach dem wesentlich schlechteren Tarif der Länder bezahlt und nicht nach dem der Kommunen. Bereits jetzt verdient eine Sozialarbeiterin beim Jugendamt in Hamburg 300 Euro weniger als ihr Kollege in Norderstedt, im März werden es 800 Euro sein. Der öffentliche Dienst in Hamburg blutet aus, das Resultat ist Überlastung und Burnout.

So war es auch auf den Schildern der Streikenden zu lesen: „Akku leer!“. Die Streikenden wollen nicht weiter leiden und stattdessen kämpfen. Auf der Bühne sprachen Kolleginnen und Kollegen von ihrer Situation in den Sozialämtern, den Schulen, bei den Sportplatzwarten oder in der allgemeinen Verwaltung. Allen war klar, dass die einzige Sprache, die der Arbeitgeber versteht, Druck ist und dass dazu gewerkschaftliche Stärke in den Betrieben aufgebaut werden muss.

Doch die betriebliche Stärke allein wird nicht reichen. Es soll deshalb Unterstützung aus der Stadt organisiert werden. Etliche Sportvereine haben sich bereits solidarisch erklärt, bei politischen Auftritten von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher oder dem Innen- und Sportsenator Andy Grote schlossen sich Bürgerinnen und Bürger spontan den Beschäftigten an.

Die Streikenden wiederum unterstützten die Proteste der Beschäftigten am Hamburger Hafen. Gleich nach der Warnstreik-Kundgebung am 7. November ging es ins Seemannsheim Duckdalben, um denen, die gegen den Verkauf der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) an die MSC-Gruppe „wild“ streikten, ihre Solidarität zu zeigen.

Mit einer E-Mail-Aktion auf der Website „wastunfuerhamburg.de“ haben alle Hamburgerinnen und Hamburger die Möglichkeit, sich den politisch Verantwortlichen gegenüber mit den Streikenden solidarisch zu zeigen: für gute Arbeitsbedingungen, für würdevolle Bedingungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten, alle anderen brauchen einen gut funktionierenden öffentlichen Dienst. Dafür gehen die Kolleginnen und Kollegen auf die Straße. Der 7. November war erst der Auftakt.

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"Lohnlücke schließen!", UZ vom 17. November 2023



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