Zum Tariftreuegesetz

Luftnummer

Tim Laumann

Der DGB reagierte äußerst positiv auf den Gesetzesentwurf zur Tariftreue. In einer Pressemitteilung vom 9. September übernahm der Gewerkschaftsbund einfach die Phrase des SPD-Arbeitsministers, damit werde der Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten eingedämmt. Das ist gelogen. Der Gesetzentwurf ist im Wesentlichen eine Luftnummer.

Neben dem äußerst traurigen Fakt, dass der DGB diese Regierung der Kriegstreiber und des Sozialabbaus als seine Regierung sieht, steht dahinter die richtige Erkenntnis im DGB, dass die bundesdeutsche Gewerkschaftsbewegung in der Krise, in der Defensive steckt: Von 1998 bis 2021 sank die Tarifbindung in Betrieben im Westen von 53 auf 28 Prozent, im Osten von 30 auf 18 Prozent. Auf den Anteil unter Beschäftigten gerechnet sank der Anteil der Tarifbindung im Westen von 76 auf 54 Prozent, im Osten von 63 auf 45 Prozent.

Dazu kommt eine Zersplitterung der Tariflandschaft: Die Anzahl der Haustarifverträge stieg von 4.500 im Jahr 2000 auf 7.500 im Jahr 2021. Die Erosion reicht bis in die Betriebe hinein. Heiner Dribbusch spricht in seiner Studie „Streik“ (Hamburg 2023) von „drei Welten“ der Regulierung vor allem in den ehemaligen Staatsbetrieben.

Aber wie reagiert die Arbeiterbewegung auf diesen massiven Angriff der Kapitalseite, der vom Staat so massiv unterstützt wurde – sei es durch Hartz-Gesetze, fehlende Kontrolle an den Arbeitsplätzen, Duldung von Betriebsrats- und Union-Busting? Die Antwort des DGB heißt, sich auf den Staat zu verlassen und mittels Lobbypolitik die rechtlichen Bedingungen zu verbessern. Beispiel gesetzlicher Mindestlohn: Für die Erhöhung wird nicht gestreikt und gekämpft, sondern es wird darüber verhandelt.

Dabei entsteht weder Tarifbindung noch Organisation und auch kein Klassenbewusstsein. Und trotzdem war der Mindestlohn ein relativer Fortschritt für viele Kollegen. Genau das hätte ein Weckruf für uns sein müssen: Die Angriffe von Staat und Kapital haben die Arbeiterklasse so zersplittert, die jahrzehntelange Sozialpartnerschaft und Stellvertreterpolitik so geschwächt, dass große Teile nicht mehr erreicht werden konnten und ein gesetzlicher Mindestlohn dadurch erst nötig wurde. Auch jetzt heißt es mit Blick auf das neue Scheingesetz aus dem Hause Heil: Auf die eigene Kraft vertrauen!

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"Luftnummer", UZ vom 20. September 2024



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