Metallarbeiter sind keine Bittsteller

Werner Sarbok im Gespräch mit Ralf Goller

Porträt: Ralf Goller ist Sekretär der IG Metall in Gelsenkirchen und dort u. a. verantwortlich für Tarifpolitik.

Porträt: Ralf Goller ist Sekretär der IG Metall in Gelsenkirchen und dort u. a. verantwortlich für Tarifpolitik.

In vielen Bundesländern hat die IG Metall in den vergangenen Tagen zu Warnstreiks aufgerufen, um im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie ihren Forderungen mehr Druck zu verleihen. In Niedersachsen, Sachsen und Baden-Württemberg fanden zahlreiche Aktionen statt. Auch in NRW wurden die Streiks deutlich ausgeweitet, zum 9. Januar rief die IG Metall in 143 Betrieben zu Warnstreiks und betrieblichen Aktionen auf. Die UZ sprach mit Ralf Goller über die Tarifrunde.

UZ: Welche Entgelterhöhung fordert die IG Metall für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie und wie begründet sie diese Forderung?

Ralf Goller: Wir fordern 6 Prozent mehr Entgelt und halten diese Erhöhung auch für angemessen, angesichts der sehr guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Metall- und Elektroindustrie. Alle Prognosen der führenden Wirtschaftsinstitute sagen auch für 2018 Wachstum voraus. Unsere Forderung setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent, einer Produktivitätssteigerung von 1 bis 1,5 Prozent und einer Umverteilungskomponente von 2,5 bis 3,0 Prozent. Das ist gerecht und beteiligt die Beschäftigten am Erfolg der Unternehmen.

UZ: Die „Arbeitgeber“ bieten 2 Prozent an. Wie kommt das bei den Kolleginnen und Kollegen an?

Ralf Goller: Zunächst einmal hört sich ein Angebot von 2 Prozent in der zweiten Verhandlungsrunde positiv an. Aber beim zweiten Hinschauen wird einem doch bewusst, dass das eine Mogelpackung ist. Den Arbeitgebern gehen die Argumente angesichts der positiven Rahmenbedingungen aus und das ist den Kolleginnen und den Kollegen in den Betrieben durchaus bewusst. Sie haben in den letzten Jahren enorm viel geleistet und zum Erfolg beigetragen und möchten dies nun auch in Geld gewürdigt wissen. Daher reagieren die Belegschaften mit einem müden Lächeln auf das erste Angebot und wissen: Da muss mehr kommen.

UZ: In der Tarifrunde geht es ja nicht nur um Geld. Die IG Metall will einen individuellen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten durchsetzen. Welchen Stellenwert hat diese Forderung bei den Kolleginnen und Kollegen?

Ralf Goller: Die aufgestellten Forderungen sind ja nicht aus dem Hut gezaubert worden, sondern das Resultat einer Befragung der Beschäftigten, an der sich über 680 000 Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben beteiligt haben. Natürlich bedurfte es einiger Überzeugungsarbeit und intensiver Diskussionen um zu erläutern, um was es bei dieser Forderung geht. Aber je mehr man ins Gespräch kam, umso deutlicher wurde, dass die Beschäftigten verstehen, um was es geht und unsere Forderung unterstützen. Sie sind in den letzten Jahren hochflexibel gewesen und haben den Unternehmen damit zum Erfolg verholfen. Nun fordern sie zu Recht ein, dass auch ihren Bedürfnissen Beachtung geschenkt wird und sie nicht im Falle eines Falles zum Bittsteller werden müssen.

UZ: Auf diese Forderung reagierte Rainer Dulger, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, prompt mit der Provokation: „Mehr Geld für Nichtstun wird es mit uns nicht geben.“ Und nicht nur das, sondern die Ausweitung der Wochenarbeitszeit scheint ja auch das das Ziel der Arbeitgeber zu sein. Was stellt die IG Metall dem entgegen?

Ralf Goller: Mit solchen Aussagen gießt Herr Dulger nur Öl ins Feuer und facht die Diskussion und unsere Entschlossenheit an. Wer sich hinstellt und sagt, dass jemand, der diese Zeit in Anspruch nimmt, um Kinder oder Eltern zu pflegen, nichts tut, hat nicht verstanden, um was es geht. Wir alle, und dazu gehören im Übrigen natürlich auch die Arbeitgeber, haben die gesellschaftliche Verantwortung, uns um unsere pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern. In welcher Form auch immer. Sei es in Form von Zeit oder Geld. Das ist ja kein bezahlter Urlaub, um in der Sonne zu liegen. Und auch bei den besonders Belasteten in den Betrieben, wozu in besonderer Form die Schichtarbeiter gehören, geht es doch nicht darum, fürs Nichtstun Geld zu bekommen, sondern diejenigen etwas zu unterstützen, die jahrelang die Knochen hingehalten haben und jetzt mal durchschnaufen wollen oder müssen. Mit billiger Polemik kommt man hier nicht weit.

Und was die Ausweitung der Arbeitszeiten anbetrifft, so arbeiten die Verbände ja schon seit geraumer Zeit daran, die Gesetze zu ihren Gunsten zu verändern. Dass sie jetzt die Chance wittern, durch die unumgängliche Kündigung des Manteltarifvertrags die 40-Stunden-Woche wieder einzuführen, halte ich für sehr gefährlich und dies kann rasch zu einer Eskalation in der Tarifauseinandersetzung führen. Da reagieren die Kolleginnen und Kollegen sehr empfindlich. Das erhöht nur unsere Kampfbereitschaft und kann nicht im Sinne der Betriebe sein, deren Auftragsbücher voll sind.

UZ: Wie geht es jetzt weiter?

Ralf Goller: Die erste Warnstreikwelle, die am 8. Januar flächendeckend begonnen hat, ist nur der Beginn der Tarifauseinandersetzung. Für die dritte und vierte Januarwoche ist eine zweite Warnstreikwelle in Vorbereitung, um die Arbeitgeber zum Einlenken zu bewegen. Sollte auch das noch nichts bringen, planen wir für Anfang Februar zum ersten Mal sogenannte Ganztagesstreiks. Ausgewählte Betriebe werden dann für 24 Stunden komplett bestreikt.

Als letztes Mittel bleiben dann noch unbefristete Streiks für die Zeit nach Karneval. Wir sind bereit und gut vorbereitet und werden die passenden Antworten auf die Forderungen oder Provokationen der Arbeitgeber geben.

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"Metallarbeiter sind keine Bittsteller", UZ vom 12. Januar 2018



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