Es sind die Beschäftigten, die die Krise meistern

Metallbosse im Tarifkampf gegen die Arbeiter

Die bayerischen Unternehmer warten mit einer Besonderheit auf – sie haben gleich zwei Verbände: Der „vbm – Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e. V.“ ist zuständig für „die Gestaltung und Verhandlung von Tarifverträgen“. Der Schwesterverband „bayme“, erklärt die gemeinsame Website, „ist der Verband ohne Tarifbindung“ und „die Vertretung der gemeinsamen gesamtwirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen aller Mitgliedsbetriebe, die ihren Firmensitz oder eine Niederlassung in Bayern unterhalten“. Man unterstütze die Mitgliedsunternehmen „beim Erhalt und der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit“ – und damit gegen die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften, die angeblich die Lohnstückkosten in die Höhe treiben. Eben diese seien es, „die im Wesentlichen die Wettbewerbsfähigkeit ausmachen“, so das „Institut der deutschen Wirtschaft“ in der Zeitung „Die Welt“ vom 2. März 2020. Ihre Steigerung lasse „Deutschland einen schweren Rückschlag erleiden“.

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Um die Löhne und Gehälter klein zu halten, hat in den Tarifverhandlungen 2021 Angelique Renkhoff-Mücke die Verhandlungsführung übernommen. Sie ist die Chefin des Familienunternehmens WAREMA in Marktheidenfeld, das weltweit aktiv ist und 4.400 Menschen beschäftigt. Die in der Öffentlichkeit bekanntesten Produkte dienen dem Sonnenschutz – Markisen, Rollos und Sonnensegel, alle regelbar per Fernbedienung vom Liegestuhl aus. Die WAREMA-Produkte, so kann man im Internet lesen, sind innovativ, umweltfreundlich und von Premiumqualität – eine richtig tolle Arbeit der Beschäftigten, wobei „der Mensch (…) immer im Mittelpunkt“ stehe.

Dem Unternehmen geht es gut: „Corona hat dem Hersteller von Sonnenschutztechnik seine ambitionierten Pläne nur kurz durchkreuzt. Der Wachstumskurs von 2019 soll aber fortgesetzt und auch neue Mitarbeiter eingestellt werden“, schreibt die lokale Presse. 2019 machte WAREMA einen Umsatzsprung von mehr als 12 Prozent auf 571 Millionen Euro. Dazu, wie hoch dabei der Gewinn ausfiel, gibt es – typisch für mittelständische Familienunternehmen – allerdings keine Angaben. Ein Teil der Gewinne wandert in die „Hans-Wilhelm-Renkhoff-Stiftung“ des Firmengründers. Diese fördert sowohl Wissenschaft, Forschung und Entwicklung als auch die praxisnahe Hochschulausbildung von Ingenieuren und Betriebswirten.

Auch ein zweites Unternehmen, dessen Chef viele Jahre in höchster Funktion beim „vbm“ aktiv war, kam „relativ unbeschadet aus der Corona-Krise“, wie die „Passauer Neue Presse“ (PNP) schrieb. Gemeint ist die Rodenstock GmbH mit Sitz in München. Dem Unternehmen für Brillen für gehobene Kundenansprüche halfen im ersten Lockdown, als die Optiker schließen mussten und das China-Geschäft einbrach, die Beschäftigten mit dem Abbau von Gleitzeitkonten und Urlaub und dann mit Kurzarbeit. Seit Juni 2020 arbeitet Rodenstock wieder im Dreischichtbetrieb. Die Entwicklungsingenieurinnen und -ingenieure bereiten derzeit, wie dem PNP-Bericht zu entnehmen ist, durch ihr Können und ihre Kreativität die Basis für den Erfolg im laufenden Jahr vor. Sie entwickeln „biometrisch intelligente Gläser“. Da kommen Aspekte ins Spiel, die als „künstliche Intelligenz in der Augenoptik“ bezeichnet werden. Das Optikerfachblatt „opticundvision“ kommentiert dies so: „Das Jahr 2020 war bewegend und herausfordernd für die gesamte Augenoptik-Branche. Es hat sich gezeigt, dass sich Augenoptiker mit dem richtigen Konzept nicht nur vom Wettbewerb abgrenzen, sondern sich seit der Covid-19-Krise auch nachweislich besser entwickeln als der Markt.“

Es sind also die Beschäftigten, die die Unternehmen durch ihre Arbeit und manchmal auch durch Lohnverzicht und Aufgabe sozialer Errungenschaften am Laufen und in der aktuellen Krise am Leben halten – nicht nur bei WAREMA und Rodenstock, sondern in der gesamten Metall- und Elektrobranche. Deshalb ist es nur richtig und gerecht, dass sie 4 Prozent fordern. Verdient hätten sie mehr!


Das Kapital im Blick

„Es gibt nichts zu verteilen in unserer Industrie“ – mit dieser Ansage von Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf geht das Kapital in die Verhandlungen zur Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie. Die Forderungen der IG Metall fielen „völlig aus der Zeit“, so Wolf. Schließlich herrschten Corona und Krise, es gebe Produktionsrückgänge und steigende Arbeitskosten. Unser Autor Stefan Kühner hinterfragt diese Aussagen und schaut konkret, wie es um die Unternehmen der Metall- und Elektrobranche tatsächlich bestellt ist.

Bisher in der UZ-Serie erschienen: „Bei Daimler läuft es“ (UZ vom 5. Februar), „Von der Krise hart getroffen?“ zum Lürssen-Konzern (UZ vom 29. Januar) und „Stihl – König der Motorsägen“ (UZ vom 12. Februar).

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"Metallbosse im Tarifkampf gegen die Arbeiter", UZ vom 19. Februar 2021



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