In Baden-Württemberg wurde das Polizeigesetz klammheimlich verschärft

Nachfolger im Voraus

Von Andreas Grimm

Das am 15. Mai im Bayrischen Landesparlament beschlossene neue Polizeiaufgabengesetz hat als gewünschtes Modell bereits im Voraus seine Nachfolger. In Baden-Württemberg wurde das Gesetz bereits vor einem halben Jahr geändert, ohne die Öffentlichkeit damit zu behelligen. Die Grünen dämmten zwar die ausgeweiteten Überwachungstätigkeiten geringfügig ein, wirkten aber ansonsten mit dem Argument, bei der aktuellen terroristischen Bedrohung müsse reagiert werden, bei der Erarbeitung des Gesetzes tatkräftig mit. Gleichzeitig betont die Landesregierung, dass es um mehr gehe, als terroristische Abwehr.

Die politische Motivation, ein Aufbegehren gegen die massiven Kriegsvorbereitungen und die damit verbundene weitere Aushöhlung des Sozialstaates zu unterbinden, bleibt in der Argumentation unerwähnt. Stattdessen werden, so in Bayern, befremdliche Beispiele wie die Gefahr potenzieller Graffiti-Sprayer genannt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte im Januar 2017 verkündet, „an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen zu gehen“, was hinsichtlich der zukünftigen Möglichkeit für die Polizei, geheimdienstliche Mittel anzuwenden und mit militärischer Bewaffnung ausgestattet zu werden, stark untertrieben ist.

Letztlich geht diese „Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“ auf Kosten von beidem. Das PAG ist ein Rundumschlag, durch den polizeilicher Willkür Tür und Tor geöffnet ist. Durch die quasi lautlose Verabschiedung des Gesetzes regte sich auch kein Widerstand und es fand – anders als in München – keine Demonstration dagegen statt. Einzig der VfB-Fanclub wollte in der Cannstatter Kurve eine sechsseitige Aufklärungsbroschüre über Inhalt und Auswirkungen des Gesetzes verteilen, was letztlich am 2. Mai vom VfB Stuttgart untersagt wurde. Unter anderem sollte darin auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass Polizeibelange einerseits Ländersache seien, andererseits durch ihre Modellhaftigkeit von den anderen Bundesländern adaptiert werden könnten und bereits werden. Damit ist der Polizeistaat Deutschland keine Dystopie mehr.

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Über den Autor

Andreas Grimm (Jahrgang 1972) hat Philosophie und Germanistik studiert und eine zeitlang als Lehrer gearbeitet.

Seit 2016 schreibt er Artikel in der UZ, vornehmlich Kulturkolumnen, und wirkt in der Redaktion der Stuttgart links, der Zeitung der DKP Stuttgart, mit. Aufgrund verschiedener musikalischer, belletristischer und schauspielerischer Tätigkeiten in den letzten 30 Jahren fühlt er sich vor allem dem kulturellen Metier verpflichtet. Zurzeit absolviert er ein Fernstudium in Journalismus.

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"Nachfolger im Voraus", UZ vom 25. Mai 2018



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