Zum „Bürgergeld“

Nur neue Verpackung

Als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in der vergangenen Woche die Eckpunkte für das „Bürgergeld“ vorstellte, das laut Koalitionsvertrag das Hartz-IV-System ablösen soll, erinnerte sich sicher der eine oder andere Beobachter an den Werbeslogan „Raider heißt jetzt Twix“. Man werde mit dem Bürgergeld das System entbürokratisieren und dafür sorgen, dass Menschen in der Not verlässlich abgesichert seien, versprach der Minister. Hierzu sollen die Regelsätze „deutlich erhöht“ werden.

Bei der konkreten Summe blieb Heil jedoch, anders als noch im Mai, sehr vage. Damals stand eine Anhebung der monatlichen Zahlungen von 40 bis 50 Euro im Raum. Aus Sicht von Sozialverbänden würde ein solcher Betrag jedoch keinesfalls ausreichen, um angesichts explodierender Preise das Existenzminimum der Bezieher annähernd zu sichern. Für ein armutsfestes Bürgergeld müsste nach Auffassung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands die Grundsicherung zeitnah um mindestens 50 Prozent angehoben werden. Des Weiteren wäre dringend ein Anpassungsmechanismus nötig, der vor realen Kaufkraftverlusten schützt. Bloße Einmalzahlungen würden angesichts der Inflation verpuffen, bevor sie ausgezahlt sind.

Die Vizepräsidentin des Sozialverbands Deutschland, Ursula Engelen-Kefer, forderte ebenfalls, die Regelsätze umgehend um 100 Euro zu erhöhen und nach einer Neuberechnung dauerhaft noch höhere Regelsätze möglich zu machen. Die FDP hat hier erwartungsgemäß ganz andere Vorstellungen. Selbst geringfügige Anhebungen werden von den Hütern der freien Marktwirtschaft strikt abgelehnt. Die neue Sozialhilfe werde auf gar keinen Fall ohne Sanktionen auskommen, so Christian Lindner am vergangenen Mittwoch gegenüber n-tv. „Wer beispielsweise Termine nicht wahrnimmt, dem muss durch Sanktionen eine Grenze aufzeigt werden können“, drohte der Finanzminister.

Das Bürgergeld ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Arbeitsteilung in der Koalition funktioniert. Aus dem Arbeitsministerium kommen Beruhigungspillen für die arbeitenden Menschen in Form von vagen Versprechungen, die anschließend im Koalitionsausschuss vom Wirtschaftsminister einkassiert werden. Bei der Umsetzung der aktuellen Arbeitsmarktreform wird es ähnlich laufen. Hartz IV heißt ab Januar 2023 Bürgergeld. Die Verpackung ist dann etwas aufgepeppt. Der Inhalt bleibt der gleiche und wird weiterhin genauso „ungesund“ sein wie ein bekannter Schokoladenriegel.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Nur neue Verpackung", UZ vom 29. Juli 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit