Kostenloser ÖPNV soll Fahrverbote in Deutschland verhindern

Nur so ein Vorschlag

Von Melina Deymann

Die Bundesregierung hat im November das „Sofortprogramm saubere Luft 2017–2020“ ins Leben gerufen, das Kommunen helfen soll, Maßnahmen für eine bessere Luftqualität umzusetzen. Bis jetzt war von dem Programm wenig zu hören, genauso wenig von der Verwendung der bis zu einer Millarde Euro, die dafür zur Verfügung stünden. Aber nun haben parteiübergreifend die amtierenden Minister Barbara Hendricks (Umwelt, SPD) Christian Schmidt (Verkehr, CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) einen Brief an an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella geschrieben, dessen Inhalt sich wie eine kleine Revolution anhört. Der öffentliche Nahverkehr in Städten soll kostenlos werden, um die Zahl der privaten Fahrzeuge zu verringern. Auf der Bundespressekonferenz zum Thema wurde aber schnell deutlich, dass ein voll finanzierter öffentlicher Personennahverkehr nicht auf der Agenda der alten oder neuen Bundesregierung steht, sondern ein drohendes Fahrverbot wegen zu hoher Stickoxidemissionen verhindert werden musste. Regierungssprecher Seibert beeilte sich zu versichern, dass die geschäftsführende Bundesregierung der Verantwortung nachgekommen ist, „der – man muss ja sagen: dringenden – Bitte der Europäischen Kommission, zusätzliche Maßnahmen zu benennen.“ Diese hatte die Bundesregierung aufgefordert darzulegen, was sie gegen die zu hohe Schadstoffbelastung zu tun gedenke, eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof drohte.

Dass der kostenlose Nahverkehr in den fünf Pilot-Städten, den „Lead-Cities“ des „Sofortprogramms für saubere Luft“ nun tatsächlich – zumindest testweise – eingeführt wird, bedeutet dieser Vorschlag aber nicht. Ausdrücklich wurde auf der Bundespressekonferenz betont, dass es sich hier nur um Vorschläge handele, die man den Kommunen macht. Auch die Finanzierung sei völlig offen. Hamburg stellte schnell klar, dass so etwas viel zu teuer wäre. Ein Sprecher des Hamburger Verkehrsverbundes bezifferte die Kosten mit 800 Millionen Euro pro Jahr: „Das ist in etwa eine ‚Elphi‘ pro Jahr.“ Auch der Oberbürgermeister der „Lead-City“ Essen, Thomas Kufen, freute sich zwar, dass die Kommunen vor dem Hintergrund drohender Dieselfahrverbote nicht allein gelassen werden, die Idee des kostenlosen ÖPNV müsse aber „gründlich auf Finanzierbarkeit und Machbarkeit überprüft werden“.

Das „Bündnis Sozialticket NRW“ begrüßte den Vorstoß der Bundesregierung, mit einem kostenlosen ÖPNV wäre die Benachteiligung vieler Fahrgastgruppen endlich vom Tisch, „Dann wäre auch ein wesentlicher Teil unserer Arbeit erfolgreich gewesen.“

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Nur so ein Vorschlag", UZ vom 23. Februar 2018



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