Auslaufen der kostenlosen Corona-Schnelltests führt zu mehr unerkannten Infektionen

Profitsicherung schlägt Pandemiebekämpfung

Ungefähr jeder zehnte Patient, der im August und September wegen Corona auf der Intensivstation lag, war vollständig geimpft. Das geht aus einer Ende September übermittelten Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der „Linken“-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht hervor. Nicht zuletzt diese Zahl führt vor Augen, dass das Testen weiterhin fester Bestandteil einer verantwortlichen Pandemiebekämpfung sein müsste. Aber um Vernunft geht es bekanntermaßen nicht, sondern vor allem um Druck auf Ungeimpfte und um Profite für die Pharmaindustrie. Seit dem 11. Oktober ist Schluss mit den kostenlosen Corona-Schnelltests.

In der Folge werden die Testzahlen zurückgehen und mit ihnen die Möglichkeiten der Nachverfolgung von Infektionen. Die meisten Menschen, die es sich leisten können, werden für den Test nur in die Tasche greifen, wenn sie ihn tatsächlich benötigen. Der Virologe Klaus Stöhr hält die Kostenpflicht für kontraproduktiv: Eine Motivation zur Impfung sei dadurch nicht zu erwarten. Vielmehr führe der Rückgang der Testzahlen zu einem Mehr an unerkannten Infektionen. Auch der Ärzteverband „Marburger Bund“ warnte dieser Tage eindringlich vor einem Anstieg der Infektionszahlen nach dem Ende der kostenlosen Corona-Tests.
Aktuell liegt der Preis für einen Antigen-Schnelltest bei 13 Euro. Da die Preise den „Marktgesetzen“ unterworfen sind, steigen die Preise von Ort zu Ort unterschiedlich stark an, Schnelltests am Flughafen München sind für 73 Euro zu haben. Bei den PCR-Tests ist momentan der Nürnberger Flughafen Spitzenreiter, hier werden Preise um die 160 Euro aufgerufen. Lediglich für Kinder unter 12, Schwangere und Personen mit einer Gegenindikation bleiben die Tests bis Jahresende kostenlos.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht kein Problem, „Ungeimpften“ Testkosten von bis zu mehreren hundert Euro monatlich aufzubürden. Dem Sender „NTV“ sagte er: Ansonsten würden „quasi die Geimpften den Ungeimpften die Tests bezahlen“. Tatsächlich geht es eher darum, den privaten Testherstellern die Profite zu sichern.

Am 16. Dezember letzten Jahres hatte die Bundesregierung die „Richtlinie zur Bundesförderung von Produktionsanlagen“ verabschiedet. Jeder Testhersteller erhält auf Antrag 30 Millionen Euro. Von den Anträgen wurde reger Gebrauch gemacht. Der größte Profiteur auf Seiten der Testhersteller ist der Pharma-Konzern Roche. Allein im ersten Quartal 2021 fuhr seine Diagnostik-Sparte 3,9 Milliarden Euro Umsatz ein. Die privaten Testzentren stehen dem in Nichts nach: Der Bund zahlte an sie im April und Mai dieses Jahres 660 Millionen Euro aus Steuermitteln.
Die hohen Preise der Tests sorgen jetzt für die Stabilisierung der Umsatzquoten. Eine Kostenübernahme insbesondere für Hartz-IV-Empfänger ist bisher nur in einzelnen Bundesländern im Gespräch. Die im Laufe des vergangenen Jahres explodierten Energiepreise – 100 Liter Standardheizöl verteuerten sich allein im letzten Monat von 70 auf 86 Euro, der Liter Benzin stieg gegenüber dem Vorjahr um 33 Prozent – liefern die Basis für den sozialen Kahlschlag. Ob Corona- oder Klimakrise: Es zahlen die, die sowieso schon jeden Euro zweimal umdrehen müssen.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Profitsicherung schlägt Pandemiebekämpfung", UZ vom 15. Oktober 2021



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