Linkspartei-Fraktion beantragt Austritt aus militärischen Strukturen des Kriegsbündnisses

„Raus aus der NATO“ im Bundestag

Von Olaf Matthes

Die Linkspartei im Bundestag hat einen Antrag gestellt, der den Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO vorsieht. Das soll „ein erster Schritt“ sein, um die NATO durch ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit in Europa unter Einschluss der Russischen Föderation“ zu ersetzen. Der Antrag soll am 7. Juli – unmittelbar vor dem NATO-Gipfel in Warschau – auf der Tagesordnung des Bundestages stehen.

Wolfgang Gehrcke, der den Arbeitskreis „Außenpolitik“ der Fraktion leitet, erzählt: Enrico Berlinguer, der damalige Generalsekretär der Italienischen Kommunistischen Partei, habe ihm einmal gesagt: „Wer aus der NATO rauswill, kommt in Europa nicht in die Regierung.“ Berlinguer zog daraus die Schlussfolgerung, seinen Frieden mit der NATO zu schließen.

Auch die Linkspartei hat die Frage, wie sie zur NATO steht, vor dem Hintergrund diskutiert, ob sie für SPD und Grüne als Partner in einer Bundesregierung in Frage kommen könnte. 2010 gelangte diese Debatte in die Schlagzeilen: Eine der Wikileaks-Depeschen berichtete von einem Gespräch zwischen Gysi und dem US-Botschafter. Gysi habe „in Plauderlaune“ erklärt, dass die Forderung im Programmentwurf seiner Partei nach Auflösung der NATO überhaupt kein Problem sei – sie sei nämlich völlig unrealistisch. Sie diene nur dazu, den linken Parteiflügel ruhigzustellen, der den Austritt Deutschlands aus der NATO fordert.

Nun beantragt die Fraktion zwar nicht den Austritt Deutschlands aus der NATO, aber aus deren militärischen Strukturen. Dafür gibt es Vorbilder: Frankreich hatte sich unter dem Präsidenten Charles de Gaulle 1966 aus den militärischen Strukturen der NATO zurückgezogen, auch Spanien und Griechenland waren zeitweise ausgetreten.

Die Fraktion beschloss den Antrag ohne Kontroversen: Der Arbeitskreis Außenpolitik, dem mit Stefan Liebich auch ein Abgeordneter aus dem „Forum Demokratischer Sozialismus“ angehört, brachte den Antrag einstimmig in die Fraktion ein. Weil kein Abgeordneter Einspruch anmeldete, beschloss die Fraktion den Antrag in einem vereinfachten Verfahren. Diese Einstimmigkeit „war auch ein Signal, dass sich etwas zum Positiven verändert hat“, sagt Gehrcke. Der Antrag im Bundestag ist damit auch ein Mittel gegen die Aufgabe inhaltlicher Positionen, um an die Regierung zu kommen. „Will man in die Regierung kommen, indem man vortäuscht, dass wir so sind wie alle? Oder wollen wir die Sozialdemokraten vor die Frage stellen: Wie steht ihr zum Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO, zur Beendigung der Auslandseinsätze?“, fragt Gehrcke. Vermutlich wird die Linkspartei-Fraktion geschlossen für den Antrag stimmen, mit weiteren Stimmen aus anderen Fraktionen für den Antrag ist nicht zu rechnen.

In der Begründung ihres Antrags schätzt die Fraktion ein, dass die NATO-Politik der Einkreisung Russlands „die Gefahr eines bewaffneten Konflikts mit Russland“ erhöhe. Es gehe darum, die internationalen Beziehungen wieder auf Respekt vor Völkerrecht und UNO-Charta aufzubauen und eine „internationale Gemeinschaft wirklicher Solidarität und Kooperation im Sinne globaler Gerechtigkeit“ zu schaffen. Der Antrag fordert auch, die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden und die Rüstungsprojekte der Regierung zu stoppen. Statt dessen solle die Bundesregierung diplomatische Initiativen ergreifen, die unter anderem auf eine Verständigung mit Russland zielen.

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"„Raus aus der NATO“ im Bundestag", UZ vom 10. Juni 2016



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