Nur 150 Nazis nahmen an Aufmarsch in Wunsiedel teil

Schlappe für rechte Splitterpartei

Lenny Reimann

Hunderte Menschen haben am vergangenen Samstag gegen einen Aufmarsch der als äußerst gewaltbereit geltenden Splitterpartei „Der III. Weg“ im bayerischen Wunsiedel protestiert. Angaben der Polizei zufolge folgten einzig 150 Nazis dem Aufruf der Nazipartei.

Zu Protesten gegen die neuerliche Provokation der extremen Rechten hatte unter anderem das Bündnis „Wunsiedel ist bunt“ aufgerufen, das von Kirchen, Gewerkschaften und der sogenannten Zivilgesellschaft unterstützt wurde. Rund 250 Menschen folgten dem Aufruf des Bündnisses. Auch viele Schüler­innen und Schüler eines örtlichen Gymnasiums nahmen neben Mitgliedern der Satirepartei „Die Partei“ an den Protesten teil, um gegen den braunen Spuk zu demonstrieren. Unterstützerinnen und Unterstützer der „Initiative gegen den Naziaufmarsch in Wunsiedel 2021“ protestierten mit einer Kundgebung am Bahnhof im Ortsteil Holenbrunn gegen den Aufmarsch der Nazis.

Weitere 400 Antifaschistinnen und Antifaschisten beteiligten sich außerdem an den Protesten des Bündnisses „Nicht lange fackeln“, welches im Nachgang an die eigenen Proteste scharfe Kritik an der Polizei übte. „Es ist ein Skandal, wie in Wunsiedel Gegenprotest gegängelt wird, während Neonazis Rosen auf den Weg gestreut werden. Es kann nicht sein, dass sich Neonazis mit Fackeln am Kriegerdenkmal inszenieren können, obwohl der kirchlichen Veranstaltung nur wenigen Stunden zuvor selbst Teelichter untersagt wurden“, sagte die Pressesprecherin des Bündnisses, Katrina Krantz.

Bereits im Vorfeld hätten die Behörden alles darangesetzt, den antifaschistischen Gegenprotest zu behindern. „Schon vor der Demonstration wurden unmögliche Auflagen erlassen und verlangt, dass Transparente nur einen Meter groß sein dürfen“, monierte Clemens Köhring, ebenfalls Sprecher des Bündnisses. Obwohl den Nazigegnerinnen und -gegnern ursprünglich zugesagt worden war, in Hör- und Sichtweite der Faschisten protestieren zu dürfen, attackierten die eingesetzten Beamten den Demonstrationszug mehrfach.

Hingegen wurde es zugelassen, dass die Neonazis, die Wunsiedel mit Bezug auf das mittlerweile eingeebnete Grab des Nazikriegsverbrechers Rudolf Heß als „Märtyrerstadt“ zu vereinnahmen versuchen, am Samstag gleich zwei Veranstaltungen durchführen konnten. Nach ihrem alljährlichen Fackelmarsch im Norden der Stadt wurde den extremen Rechten erstmals eine Kundgebung am Kriegerdenkmal im Süden Wunsiedels genehmigt. „Es ist ein Skandal, dass die Neonazis vom III. Weg zusätzlich zu ihrem Aufmarsch im Norden der Stadt eine Kundgebung mit Fackeln am für sie symbolträchtigen Kriegerdenkmal durchführen konnten“, monierte „Nicht lange fackeln“-Sprecherin Krantz.

Besonders fahrlässig sei gewesen, dass die Neonazis, darunter verurteilte Rechtsterroristen und Gewalttäter, sich „in Kleingruppen quer durch die Stadt“ bewegen durften. Damit habe die Polizei am Sonnabend eine „reale Bedrohungslage“ für den bürgerlichen Protest und anwesende Antifaschistinnen und Antifaschisten geschaffen. Es habe sich „wieder einmal gezeigt, wie wichtig ein kraftvoller antifaschistischer Protest gegen Neonazis ist“. Aufs Neue habe man festgestellt, dass man sich dabei nicht auf Behörden verlassen könne.

Trotzdem zog das antifaschistische Bündnis ein weitestgehend positives Fazit: „In diesem Jahr waren wir und der bürgerliche Gegenprotest ‚Wunsiedel ist bunt‘ um ein Vielfaches mehr als die Nazis und wir haben unseren Antifaschismus kraftvoll auf die Straße ­getragen.“

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"Schlappe für rechte Splitterpartei", UZ vom 19. November 2021



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