Über den Streit in der Bundesregierung

Schlechtes Schauspiel

Mehr als 20 Stunden Koalitionsausschuss, mysteriöse Stellungnahmen, dann Unterbrechung, dann Vertagung, dann Fortsetzung: Der Streit in der Ampel war zum Wochenbeginn das bestimmende Thema in den Zeitungen und Nachrichtenmagazinen. In den Wochen zuvor waren böse Briefe geschrieben und verärgerte Stellungnahmen abgegeben worden. Von geleakten Gesetzesentwürfen war die Rede, von Blockaden und vom „Deutschland-Tempo“, das nun endlich kommen soll. Zum Redaktionsschluss tagten sie noch immer. Die Leserinnen und Leser dieser Ausgabe sind also schlauer. Sie kennen das Ergebnis bereits.

Aber das spielt keine Rolle. Wen interessiert schon, ob Habeck und Lindner sich vertragen? Während die Ampel ihr stumpfsinniges Laienspiel inszeniert, rollen wieder deutsche Panzer gegen Russland. Während der Kanzler von „sehr guten Fortschritten“ spricht, leiden Millionen unter hohen Preisen und einer unsicheren Zukunft. Nun ist es nicht so, dass die Koalitionäre mit ihrer Hampelei daran scheitern würden, diese Probleme zu lösen. Sie versuchen es erst gar nicht. Bei allen entscheidenden Fragen herrscht hingegen Einigkeit: Der Krieg soll weiter befeuert werden, die Aufrüstung wird fortgesetzt, die Rekordgewinne der großen Konzerne werden nicht angetastet und die gewaltigen Kosten werden auf die Bevölkerung abgewälzt.

Zwischen den Sitzungen flog der Kanzler zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen nach Rotterdam. Dort wurde ein kurzes Statement zum Stand der Koalitionsgespräche vorbereitet. Allerdings taten sich die PR-Experten des Kanzleramts schwer damit, den übernächtigten Regierungschef in Szene zu setzen. Wie „tagesschau.de“ berichtet, hatte Scholz die Wahl, vor einer Toilettentür, vor dem Modell einer Luxusjacht oder vor dem gerahmten Bild eines Segelflugzeuges zu stehen, um in die Kameras zu sprechen. Wer die Erklärungen des Kanzlers kennt, weiß, dass alle drei Hintergründe hervorragend geeignet gewesen wären. Am Ende wurde dennoch das Bild des Flugzeuges abgehängt. Scholz erzählte von „vielen, vielen Verständigungen“ und der Zauber war vorbei.

Wir fassen zusammen: Die Regierung lenkt von den tatsächlichen Problemen ab, die Medien unterstützen das und einem alten Mann wird verboten, vor der Klotür zu stehen. Politik als Inszenierung – schön und gut. Aber muss es Trash-TV sein?

Über den Autor

Vincent Cziesla, Jahrgang 1988, ist seit dem Jahr 2023 Redakteur für das Ressort „Politik“. Der UZ ist er schon seit Jahren als Autor und Verfasser der „Kommunalpolitischen Kolumne“ verbunden. Während eines Praktikums lernte er die Arbeit in der Redaktion kennen und schätzen.

Cziesla ist Mitglied des Neusser Stadtrates und war von 2014 bis 2022 als hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer der Linksfraktion in Neuss beschäftigt. Nebenberuflich arbeitet er in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.

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"Schlechtes Schauspiel", UZ vom 31. März 2023



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