Zur Reaktion der Herrschenden in Britannien auf Streikwelle

So geht Klassenkampf

In 10, Downing Street will man die landesweite Streikwelle zusammenstutzen. Die britische Regierung plant, eine Minimalbesetzung in Schlüsselbereichen wie der Bahn oder dem Gesundheitswesen zu beschließen. Beschäftigte, die sich dem Einsatz verweigern, könnten gekündigt und die Gewerkschaft verklagt werden. Premierminister Sunak macht unverhohlen klar, gegen wen sich das richtet – die „unvernünftigen“ streikenden Gewerkschafter. Da holt man auch mal das Militär zur Hilfe, wenn auch nur, um es als Ersatz beim Grenzschutz einzusetzen. Diese drakonischen Maßnahmen sind kein Zeichen der Stärke. Sie sind die Reaktion der Herrschenden auf eine kämpfende Klasse. Den ganzen Dezember hindurch streikten die Beschäftigten unterschiedlichster Branchen in Britannien. Diese größte Streikwelle seit Jahrzehnten hat Sunak zur Bereitschaft zu Lohnverhandlungen gezwungen.

Sicher wehren sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter aus einer existenzbedrohenden Lage heraus. In der Krise wird deutlich, dass einem Essen, Trinken, Wohnen und Sich-Kleiden in dieser Gesellschaft nicht selbstverständlich gewährt wird. Zumindest muss man überlegen, was einem davon am wichtigsten ist: Der Besuch bei den Food Banks ist weit verbreitet. Essen, das noch aufgewärmt werden muss, ist dort weniger gefragt. So spart man schließlich Energiekosten. Diese offensichtliche Krise, die kampfkräftigen Streiks und die drakonischen Maßnahmen einer Regierung, die ohne allgemeine Wahl ins Amt kam, lassen den Interessengegensatz überdeutlich hervortreten. Vielen erscheint der gewerkschaftliche Widerstand legitim. Trotz Stimmungsmache solidarisieren sie sich mit den Streikenden.

Die Herrschenden sind selbst nicht sicher, wie weit sie gehen können. Wie jetzt bekannt wurde, waren auch weitergehende Maßnahmen erwogen worden, etwa ein Verbot gewerkschaftlicher Organisierung für Grenzangestellte. Aber selbst die Experten der Regierung warnen davor, dass die Gesetze zu mehr verteilten Streiktagen oder „Bummelstreiks“ führen könnten. Auf Ideen, wie die organisierte Klasse gewieft auf die Angriffe reagieren kann, mussten die Gewerkschaften also nicht einmal selbst kommen. Die schlimmsten Auswirkungen der Inflation stehen erst noch bevor. Damit werden weitere und schärfere Auseinandersetzungen folgen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"So geht Klassenkampf", UZ vom 13. Januar 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit