Westliche Militärs sind auf Seiten der Ukraine dabei. Hinzu kamen einige tausend Freiwillige in der „Internationalen Legion“. Die zerfällt offenbar.

Söldnerfiasko

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine lamentiert die deutsche Bürgerpresse über zu geringe Waffenlieferungen dorthin. Das lenkt davon ab, dass sich die westliche Unterstützung für Kiew nicht auf finanzielle und technische Hilfe im Wert von Milliarden Euro beschränkt, sondern von Anfang an auch Spezialkräfte einschloss. Das wird in deutschen Medien verschwiegen.

So berichtete die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ jetzt unter Bezug auf die britische „Times“ und den „Telegraph“, Mitglieder des Special Air Service (SAS), einer Spezialeinheit der britischen Armee, hätten in den vergangenen zwei Wochen in der Nähe von Kiew ukrainische Soldaten in der Handhabung einer hochmodernen Panzerabwehrwaffe ausgebildet. Die Schweizer Zeitung wies außerdem darauf hin, dass der Pariser „Figaro“ am 9. April unter Berufung auf einen Geheimdienstler Frankreichs berichtet hatte, Kräfte der SAS und der „amerikanischen Delta Force“ seien in der Ukraine. „Le Figaro“ hatte dem den Satz der Quelle hinzugefügt, Russland wisse sehr wohl von dem „geheimen Krieg“, der von ausländischen Kommandos gegen seine Truppen geführt werde.
Bereits am 7. April hatte die „Frankfurter Rundschau“ auf eine weitere militärische Hilfe hingewiesen und getitelt: „US-Geheimdienste versorgen Ukraine mit Flut an kommerziellen Satellitenbildern.“

So wenig über diese professionelle Unterstützung berichtet wird, so lautstark feierten westliche Medien anfangs die „Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine“ – so ihr offizieller Name. Am 27. Februar hatte der ukrainische Präsident Wladimir Selenski dazu aufgerufen, eine Fremdenlegion zu bilden, einen Tag später unterzeichnete er ein entsprechendes Dekret. Kiew schuf im Internet eine eigene Seite für Bewerber (fightforua.org). Auf ihr ist unter anderem eine alphabetische Liste von Ländernamen von Albanien bis Vietnam zu finden, die per Link zu den Adressen ukrainischer Botschaften in den jeweiligen Staaten führt. Die Botschaften dienen als Rekrutierungsbüros, was von Staaten wie Algerien oder Senegal untersagt wurde, nicht jedoch von der Bundesregierung. Die Kiewer Führung behauptete am 3. März, bereits 16.000 Ausländer hätten Interesse an der Legion bekundet. Mitte März seien es 20.000 Ausländer aus 52 Staaten gewesen. In der „Frankfurter Rundschau“ vom 15. März bezweifelte ein Wissenschaftler aus Oslo die Zahlen und erklärte sie zur PR-Übung.

Am 17. April erklärte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow, Kiew habe seit dem 24. Februar „6.824 ausländische Söldner aus 63 Ländern“ in Dienst gestellt. Die meisten von ihnen, 1.717, seien aus Polen gekommen, etwa 1.500 aus den USA, Kanada und Rumänien. Jeweils 300 Kämpfer stammten aus Britannien und Georgien, 193 aus den Gebieten Syriens, die von der Türkei kontrolliert werden.

Bereits am 5. April hatte ein Experte des Londoner „Zentrums für Strategische und Internationale Studien“ geurteilt, es handele sich bei der Legion um „ein Fiasko“. Er machte das vor allem an mangelnder militärischer Erfahrung der Bewerber fest.

Entscheidender dürfte aber der Raketenschlag gewesen sein, mit dem die russischen Streitkräfte am 13. März einen faktischen NATO-Stützpunkt bei Jaworiw im Westen der Ukraine zerstörten und damit das wichtigste Rekrutierungs- und Ausbildungszentrum für die Söldner. Nach ukrainischen Angaben starben dabei 35 Menschen, nach russischen etwa 180. Überlebende berichteten, dass sich zum Zeitpunkt des Raketenangriffs auf dem Stützpunkt 800 bis 1.000 Menschen aufgehalten hätten. So berichtete ein deutscher pensionierter Soldat im Sender „Österreich 1“, die Zahl der getöteten Ausländer sei wesentlich höher als angegeben.

Nach diesem Tag änderte sich schrittweise die Berichterstattung deutscher Medien zur ukrainischen Fremdenlegion. Hatte die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ noch am 20. März berichtet, erstmals seit 1945 hätten deutsche Söldner, darunter mindestens ein aktiver Bundeswehrangehöriger, in der Ukraine auf russische Soldaten geschossen und dabei zehn oder elf von ihnen getötet, herrschte danach mediale Ruhe. Nun veröffentlichte „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe eine Reportage über vier Abenteurer aus drei Ländern, die als Söldner in der ukrainischen Armee ein Desaster von Korruption und Gleichgültigkeit erlebten. Die Botschaft lautet: Finger weg.

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"Söldnerfiasko", UZ vom 22. April 2022



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