Seminar zur marxistischen und anderen Faschismustheorien

Umfangreiche und abgesicherte Erkenntnisse

Von Kurt Baumann

Die Karl-Liebknecht-Schule war, so der Leiter Jürgen Lloyd „außerordentlich gut“ besucht, das Thema zieht. Als Titelzitat dient die Aussage von Reinhard Opitz, man müsse die benannten Erkenntnisse über den Faschismus sich aneignen, um die Frage zu beantworten, wie man ihn am effektivsten bekämpfe. Gegenstand des Seminars waren die marxistische und andere Faschismus­theorien. Um hier die richtigen von falschen zu trennen, begann das Seminar mit Ausführungen zu Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit. Unser Interesse am Wesen des Faschismus sei, wie wir entlang von Aussagen von Robert Steigerwald und Hans Heinz Holz lernten, praktisch und also parteilich auf die Verhinderung von Faschismus gerichtet.

Phillip Becher führte in die Geschichte der Faschismusdiskussion der kommunistischen Internationale ein und legte seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung der italienischen kommunistischen Partei. Parallel zur Entwicklung des italienischen Faschismus lernte auch die Partei und die Komintern den Faschismus klarer zu erfassen. Parallel zur Erfassung Togliattis, Gramscis, Zetkins und den programmatischen Thesen von KI und KPI entwickelten sich die – dann wiederum zur Analyse der Kämpfe der Antifaschisten.

Aus einem anderen Impetus heraus wurden bürgerliche Faschismus­theorien entwickelt, die sich mehr oder weniger offen der Apologie verschreiben indem sie die Klassenherrschaft des Faschismus verschleiern. Ein Rundumschlag stellte die verschiedenen Theorien und die wesentliche aus der Sicht aktiver Antifaschisten zu übende Kritik dar. Führertheorien erklären den Faschismus aus den Besonderheiten faschistischer „großer Männer“. Nationalgeschichtliche Ansätze sorgen durch die Erklärung des Faschismus durch eine „Volksmentalität“ für die Abwälzung historischer Schuld auf die Volksmassen. Mittelstandstheorien versuchen die „Mentalität“ zwar aus dem Kapitalismus zu erklären, vernachlässigen dann aber die treibende Kraft des Monopolkapitals bei der Aufrichtung der faschistischen Diktatur.

Ausführlich wurde die Totalitarismustheorie bearbeitet. Aus den Maßstäben der als unantastbar gesetzten bürgerlichen Demokratie werden – historisch reichlich differierend und jeweils politisch opportun angepasst – Maßstäbe für die Bewertung von Gesellschaften abgeleitet. Der Faschismus und der Kommunismus seien so wesensgleich. Aus der Ideengeschichte abgeleitete Faschismustheorien hingegen wollen den Faschisten zuhören, auf dass diese erklären was denn Faschismus sei. So entsteht aber keine Faschismustheorie, sondern eine Apologie seiner demagogischen Äußerungen. Theorien des Ökonomismus ignorieren den qualitativen Unterschied zwischen bürgerlicher Demokratie und Faschismus, so ist dann auch keine genuin antifaschistische Strategie mehr möglich. Ausführlicher wurden Bonapartismustheorien behandelt, die der faschistischen Massenbasis eine Verselbstständigung über das Kapital zubilligen. Dabei unterschätzen sie auch die Rolle des bürgerlichen Staates, der ihrer Auffassung zufolge nicht mehr die Rolle spielt der ökonomisch herrschenden Klasse die politische Macht zu sichern. Hier wird die politische von der sozialen Herrschaft sogar getrennt und einander gegenüber gestellt.

Am zweiten Tag wurde Dimitroffs Referat auf dem VII. Weltkongress exzerpiert. Im Kontrast zu anderen Auffassungen sind die politischen Erkenntnisse hier unmittelbar praktisch anwendbar, die klare Bestimmung des Gegners erlaubt keine Apologie und keine Abwälzung der historischen Schuld. Hieraus abgeleitet wurde die vor allem von Reinhard Opitz ausgearbeitete Theorie der Integration in den Imperialismus als prägnanteste Beschreibung der aktuellen Auseinandersetzungen um AfD und Co. Die Diskussion um aktuelle antifaschistische Strategie und Taktik bildete den Abschluss des Seminars.

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"Umfangreiche und abgesicherte Erkenntnisse", UZ vom 18. November 2016



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