Verkehrswende? Was der Koalitionsvertrag zum Schienenverkehr aussagt

Unter Vorbehalt

Ein wesentlicher Faktor zur Umsetzung einer Klimaschutzpolitik ist die Verkehrspolitik. Wichtig ist dabei die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs und die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Würde in Deutschland ein Fokus auf die Schienenverkehrsförderung gelegt, wäre es möglich, dadurch den Großteil der vereinbarten Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Wie sind nun die Aussagen im Koalitionsvertrag zum Schienenverkehr unter diesem Aspekt zu bewerten?

Für Unruhe sorgten zunächst Aussagen von FDP und Grünen im Bundestagswahlkampf 2021. Sie wollten die Infrastruktur aus der bundeseigenen Deutschen Bahn AG (DB AG) heraustrennen, was zu sofortigen Protestaktionen der Eisenbahnbeschäftigten führte (siehe UZ vom 12. und 26. November 2020). Um als Staat jedoch Einflussmöglichkeiten auf den Schienenverkehr und seine Nutzung zu haben, wäre dies im Sinne des Klimaschutzes kontraproduktiv. Zentrale Aussage im Koalitionsvertrag dazu: „Wir werden die Deutsche Bahn AG als integrierten Konzern (…) im öffentlichen Eigentum erhalten. (…) Die Infrastruktureinheiten (DB Netz, DB Station und Service) der Deutschen Bahn AG werden innerhalb des Konzerns zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte zusammengelegt. Diese steht zu 100 Prozent im Eigentum der Deutschen Bahn als Gesamtkonzern.“ Aus den Kreisen der Verhandlungsdelegationen war zu vernehmen, dass dies der kleinste gemeinsame Nenner war.

„Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ heißt daher auch die verhaltene Reaktion der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Zwar konnte die Zerschlagung verhindert werden, aber die konkreten Wirkungen auf die Beschäftigten werden erst deutlich, wenn es an die geplante Umorganisation der DB geht. Tatsächlich ist mit dem Koalitionsvertrag nichts festgeschrieben, was FDP und Grüne in ihren Marktdogmen behindern würde. Im Grunde können damit die Grundlagen für die Zerschlagung der DB in Infrastruktur- und Verkehrsbetriebe gelegt werden, denn eine Umorganisation braucht Zeit und die Gewinnorientierung der Verkehrsbetriebe wird ausdrücklich festgeschrieben. Die Herauslösung könnte dann die nächste Koalition ohne Probleme bewerkstelligen.

Bestätigt wird diese Einschätzung auch dadurch, dass „faire Arbeitsbedingungen“ im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch „Stärken der Tariftreue“ und die gesetzlichen Grundlagen für die Tarifbindung bei Ausschreibungen geschaffen werden sollen. Die dafür notwendige Änderung des Personenbeförderungsgesetzes wird aber nicht genannt, wie auch nicht festgelegt wird, von welchem Tarifvertragsniveau ausgegangen werden soll. So sind die Tarifverträge – also der Rahmen für die Löhne, Arbeits- und Sozialbedingungen – für die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen durchweg unter dem Niveau der DB AG.

Im Vergleich mit früheren Koalitionsverträgen haben die drei Regierungsparteien jedoch tatsächlich eine Zäsur in der Verkehrspolitik vorgenommen. Erstmals soll eine „Umverteilung“ vom Auto- und Straßenverkehr hin zu einer Schienenverkehrsförderung stattfinden. Hierzu werden konkret die stärkere Belastung des LKW-Verkehrs im Zuge der LKW-Maut, die Besteuerung von Kerosin (Luftverkehr), der Abbau von Subventionen sowie die steuerliche Angleichung von Diesel- und Benzinsteuer benannt. Auch eine Beendigung der steuerlichen Förderung von E-Autos ist für das Jahr 2025 vorgesehen. Die Mittel sollen in den öffentlichen Personen- und den Güterschienenverkehr fließen. Zum Umfang sind allerdings keine konkrete Daten angegeben.

Bund, Länder und Kommunen sollen sich zudem in einem „Ausbau- und Modernisierungspakt“ über die jeweiligen Finanzierungsanteile bis zum Jahr 2030 verständigen. Zwar will der Bund die Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr erhöhen, aber die erforderlichen Investitionen für die Schieneninfrastruktur haben einen erheblich höheren Finanzbedarf und erfordern ohne Ausbau schon fast 200 Milliarden Euro. Ein Ausbau der Schieneninfrastruktur ist nicht nur für die Reaktivierung von stillgelegten Schienenstrecken erforderlich, sondern auch, um den Schienengüterverkehr auf den im Koalitionsvertrag benannten Marktanteil von 25 Prozent bis zum Jahr 2030 zu steigern.

Da alle angekündigten Maßnahmen unter dem Finanzierungsvorbehalt stehen, ist eine Verkehrswende in weiter Ferne. Vielleicht ist das auch der Grund, warum dieses sonst in den Medien gern benutzte Wort im Koalitionsvertrag auch nicht ein Mal genannt wird.

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"Unter Vorbehalt", UZ vom 14. Januar 2022



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