So nennt der Konzern die Entlassung der Leiharbeiter

Volkswagen „meldet ab“

Für die Kolleginnen und Kollegen in der Leiharbeit bei „AutoVision“ gibt es keine Zukunft mehr beim Mutterkonzern Volkswagen. Ihre Jobs enden spätestens Ende Dezember, für die meisten sogar schon am 31. Oktober dieses Jahres. Warum zahlen sie jetzt die Zeche für die Betrügereien, für die sie am allerwenigsten können?

Nicht nur in Osnabrück, auch in anderen Standorten werden Tausende Leiharbeiter der AutoVision „abgemeldet“, auf Deutsch: entweder entlassen oder, im besten Falle, außerhalb der Marke Volkswagen weitervermittelt – oft zu schlechteren Konditionen. Nur zur Erinnerung: AutoVision ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Volkswagen.

Dabei bleibt Volkswagen im ersten Halbjahr 2017 „ungeachtet der Debatten um Abgaswerte und Fahrverbote mit seiner Kernmarke VW Pkw auf Erfolgsfahrt“, wie die „WAZ“ sich ausdrückt: ein Umsatz von 39,9 Mrd. Euro, acht Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, und ein verdoppelter operativer Gewinn von 1,8 Mrd. Euro nach 0,9 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. Finanzchef Arno Antlitz: „Wir kommen dank strikter Kostendiszi­plin und einer kontinuierlichen Steigerung der Produktivität auf dem Weg zu wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen planmäßig voran“.

„Ausatmen“ nach Peter Hartz

Genau das ist der entscheidende Punkt: die „kontinuierliche Steigerung der Produktivität“ soll durch drastischen Personalabbau vorangetrieben werden. Dazu reicht der im „Zukunftspakt“ vereinbarte Abbau von Stellen „entlang der demographischen Kurve“ (also durch Altersteilzeit) nicht aus. Mit der Entlassung von Leiharbeitern wird die Beschäftigungsgarantie für die Stammbelegschaft unterlaufen.

Damit verändert sich die Funktion von Leiharbeit für Volkswagen: ging es bisher eher darum, durch Leiharbeit eine „verlängerte Probezeit“ zu haben, nach der aber in der Regel die Übernahme in den Stamm bei Volkswagen stand, geht es jetzt um das „Ausatmen“ einer Reservearmee, welche je nach Konjunkturschwankungen ein- oder ausgestellt wird.

Ermöglicht hat das unter anderem ein gewisser Dr. Peter Hartz – erst als Personalvorstand bei VW, dann als Berater der Schröder-Regierung. Seine Aufgabe bei VW: wie lassen sich die Lohnkosten senken, ohne sich mit einer gut organisierten Belegschaft massiv anzulegen? Seine Lösung: Spaltung der Belegschaften durch Schaffung dieser Reservearmee außerhalb der Stammbelegschaft. Die Hartz-Gesetze haben dies Rezept auf die ganze Gesellschaft übertragen.

Spaltung der Belegschaft

„Der Schutz durch Gewerkschaft und Betriebsrat ist ausgehebelt, weil Leiharbeiter und Befristete einfach nicht den gleichen Kündigungsschutz haben wie Stammbeschäftigte“, so ein Autovisioner im Interview („roter Käfer“, Juli/August 2014). Und: „Gleicher Lohn ist gut – doch wir brauchen auch die gleichen Rechte“

Auch wenn dies nicht im Einzelbetrieb und nicht kurzfristig durchsetzbar ist: eine solidarische Alternative sieht anders aus. Wenn die Arbeit weniger wird, können entweder Menschen entlassen (oder „abgemeldet“) werden – oder die Arbeit wird auf alle Hände verteilt, damit alle Arbeit behalten. Dies müsste nicht einmal, wie die Vier-Tage-Woche 1993 bei VW, durch die Beschäftigten selbst bezahlt werden. Angesichts der Gewinne der großen Konzerne dürfte ein ordentlicher Lohnausgleich drinsitzen. Durchsetzen können wir das aber nur dann, wenn wir die Spaltung in „Stamm“ und „Leiharbeiter“ überwinden.

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"Volkswagen „meldet ab“", UZ vom 15. September 2017



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