Wieder Journalisten in der Türkei verhaftet

Von Reisen abgeraten

Von Henning von Stoltzenberg

Am 13. April wurde der in Köln lebende Journalist und Sozialwissenschaftler Adil Demirci in Istanbul während eines Urlaubsaufenthaltes von türkischen Polizeieinheiten verhaftet. In der gleichen Nacht wurden an anderen Orten die Journalistinnen Pinar Gayip und Semiha Sahin festgenommen. Alle drei derzeit Inhaftierten arbeiten für die sozialistische Nachrichtenagentur Etha. Adil Demirci besitzt die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft. Er arbeitet hauptberuflich in einer sozialen Einrichtung und tritt unter anderem für die Rechte von MigrantInnen ein. Als politischer Journalist setzt er sich gegen die Rechtsentwicklung in der BRD und die Kriegspolitik der Türkei ein. Letzteres hat schon einigen JournalistInnen und KriegsgegnerInnen Gefängnisstrafen eingebracht. Ein weiterer Grund für seine Verhaftung könnte die Solidaritätsarbeit für seine Kollegin Mesale Tolu sein. Nach ihrer Festnahme im vergangenen Jahr hatte er in Köln ein Solidaritätskomitee gegründet, das ihre Freilassung sowie Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei forderte.

So wie Adil Demirci erging es bereits mehreren kritischen JournalistInnen. Im vergangenen Jahr war neben Mesale Tolu auch der „Welt“-Journalist Deniz Yücel festgenommen worden. Mesale Tolu ist inzwischen aus der Haft entlassen worden, darf allerdings das Land nicht verlassen. Deniz Yücel konnte nach einjähriger Haft nach Deutschland zurückkehren.

Beiden war angebliche „Terrorpropaganda“ vorgeworfen worden. Eine Standardanklage mit verschiedenen Varianten, die dafür sorgt, dass unliebsame Personen in Haft gehalten werden können. Demirci wird laut dem „Spiegel“ von Seiten der türkischen Behörden vorgeworfen, Mitglied der in der Türkei verbotenen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein und drei Beerdigungen von getöteten Parteimitgliedern besucht zu haben.Diese hatten auf Seiten der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gegen die Terrormiliz IS gekämpft.

Die Festnahme des Kölners ist ein weiterer trauriger Höhepunkt der Verfolgung kritischer und oppositioneller Stimmen in der Türkei. Zahlreiche Organisationen, ArbeitskollegInnen und ehemalige KommilitonInnen fordern öffentlich seine unverzügliche Haftentlassung.

„Gegen diese brutale Repression müssen linke Organisationen, Soziale Bewegungen, Menschen- und Bürgerrechtler*innen, journalistische Verbände und Gewerkschaften gemeinsam auftreten und die Meinungs- und Pressefreiheit verteidigen. Wir fordern die sofortige Freilassung Adil Demircis und seiner inhaftierten Kolleginnen“, erklärt Heiko Lange im Namen des Solidaritätsvereins Rote Hilfe e. V. Zudem rät er kritischen JournalistInnen wie linken AktivistInnen derzeit dringend von beruflichen und privaten Reisen in die Türkei ab.

Auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, protestiert aufs Schärfste und fordert die Bundesregierung auf, Verantwortung für den deutschen Staatsbürger Adil Demirci zu übernehmen und sich energisch für seine sowie die Freilassung der anderen inhaftierten Journalistinnen einzusetzen.

Im Fall von Tolu und Yücel hatten die zahlreichen Proteste sicherlich ihren Anteil daran, dass Berlin tätig wurde und das AKP-Regime die beiden JournalistInnen freiließ. Nun ist große Öffentlichkeit für Adil Demirci und seine Kolleginnen nötig, um sie aus den Kerkern Erdogans freizubekommen.

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"Von Reisen abgeraten", UZ vom 20. April 2018



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