Die Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung könnten bald beginnen

Vor der Jamaika-Koalition

Von Nina Hager

Noch gibt es keine formelle Einladung der Union zum ersten Sondierungsgespräch über die neue Regierungskoalition und die Parteien sind sich zudem uneins über das weitere Vorgehen. Während die FDP und die Grünen sich vorstellen können, zunächst „Zweiergespräche“ zu führen, also „FDP und Union, FDP und Grüne, Union und Grüne“, wie FDP-Chef Christian Lindner vorschlug, lehnt das die CSU bislang ab. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt betonte – wohl auch mit Blick auf die FDP, deren stellvertretender Vorsitzender Kubicki sich in der vergangenen Woche für Posten vom Kanzleramt bis zum Finanzminister anbot („Ich kann alles“): „Vertrauensvolle Gespräche kann es nur geben, wenn alle vier Partner am Tisch sitzen. Wenn FDP und Grüne glauben, sie könnten in Zweierrunden schon mal Absprachen oder Ministerposten verteilen, haben sie sich getäuscht.“ Ihm wäre es wohl auch lieber, wenn die Unionsparteien mit der FDP allein regieren könnten.

Doch die Grünen sind bereit: Ihre Führung holte sich am 30. September auf einem kleinen Parteitag in Berlin die Zustimmung für Sondierungsgespräche. Dafür gibt es bereits ein 14-köpfiges Team, das durch die Delegierten bestätigt wurde und zu dem neben Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, die beiden Spitzenkandidaten bei den Bundestagswahlen, auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Befürworter von Schwarz-Grün, und Jürgen Trittin, der dem linken Flügel der Partei zugezählt wird, gehören. Auf dem Parteitag wurde außerdem ein Beschluss des Bundesvorstandes gebilligt, in dem „ökologischer Fortschritt“ und „mehr soziale Gerechtigkeit“ sowie die Bekämpfung von Fluchtursachen als Ziele einer Jamaika-Koalition gefordert werden. Mal sehen, was davon nach den Sondierungsgesprächen noch übrig ist und was die Parteibasis mitträgt. „Eine Einladung der CDU und CSU zu gemeinsamen Sondierungsgesprächen mit der FDP nehmen wir an“, heißt es in dem Beschluss, der ohne Gegenstimmen verabschiedet wurde. Es gebe aber keinen Automatismus für eine Regierungsbeteiligung. „Wenn Gespräche nicht konstruktiv verlaufen, dann werden wir aus der Opposition für Veränderung kämpfen.“ Göring-Eckardt erklärte jedoch: „Ich habe keine Angst davor, in harte Verhandlungen zu gehen“, die Grünen hätten eine besondere Verantwortung, der sie nun gerecht werden müssten: Eine deutliche Orientierung.

Am 8. Oktober wollen nun CDU und CSU ihren Kurs für die ersten Vierergespräche beraten. Klar ist bislang, dass Merkel erneut kandidiert. Schäuble wird wohl neuer Bundestagspräsident. Bei den Gesprächen dürfte es aber auch um die Themen Zuwanderung, innere und äußere Sicherheit sowie „Europa“ gehen. Diskutiert wird gewiss auch wieder über die „Obergrenze“ für Flüchtlinge. CSU-Chef Seehofer hatte laut „FAZ“ kürzlich zudem verlangt, die Union müsse sich stärker auch um das „ganze soziale Spektrum“ mit Rente, Familie, Pflege und Wohnen kümmern. Vor einer Einigung der Unionsparteien wird es keine Sondierungsgespräche geben.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Vor der Jamaika-Koalition", UZ vom 6. Oktober 2017



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