Nazi-Drohungen und -Angriffe gibt es nicht erst seit dem Fall Lübcke

„Welches Mal?“

Von Tatjana Sambale

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke häufen sich die Meldungen über Drohungen von Nazis gegen Politiker. Für viele Antifaschisten ist das nichts Neues. UZ fragte die Kommunistin Tatjana Sambale aus dem fränkischen Schwabach nach ihren Erfahrungen.

Neulich wollte eine Freundin wissen, in welchem Jahr die Nazis unser Auto demoliert haben und meine spontane Gegenfrage war: „welches Mal?“. Beim Nachzählen kam ich auf acht Angriffe in den letzten 15 Jahren, mal waren es aufgesprühte Hakenkreuze, mal eingeworfene Fensterscheiben, mal ein wirtschaftlicher Totalschaden. Meistens parkte das Auto dabei direkt vor unserem Haus. Und wir waren beileibe nicht die einzigen. In der Region Fürth/Nürnberg/Schwabach gab es in den letzten Jahren immer wieder derartige Häufungen von Attacken gegen als linksaktiv bekannte Menschen oder ganze Familien, die jedes Mal zur Anzeige gebracht wurden und nie einen Ermittlungserfolg der Polizei nach sich zogen. Trotz der Regelmäßigkeit der Angriffe und der Tatsache, dass die Nazi-Aktionen in entsprechenden, rechten Foren abgefeiert wurden, fragte uns die Polizei in Schwabach bei jedem einzelnen Vorfall, ob wir Streit mit unseren Nachbarn hätten. In Fürth dagegen wurden faschistische Angriffe gern als Teil eines politischen Bandenkriegs zwischen Linken und Rechten dargestellt.

Sowohl in der Weigerung, derartige Vorfälle als politisch motiviert zu betrachten, als auch in der Haltung, sie als „extremistischen Randgruppenkampf“ darzustellen, liegt die große Gefahr, rechte Strukturen zu stärken. Genau diese Folgenlosigkeit faschistischer Taten führt dazu, dass rechte Hemmschwellen über die Jahre weiter sinken, dass aus Beleidigungen Morddrohungen und aus Sprühdosen Brandsätze werden. Eine möglichst breite Öffentlichkeit bei allen Übergriffen herzustellen war in unserem Fall die richtige Antwort. Es gab Zeitungsveröffentlichungen, Kundgebungen, Spendensammlungen in der Nachbarschaft. Sowohl durch die persönliche Bekanntheit als auch die politische Verankerung ist es jedes Mal gelungen, einen politischen Umgang mit dem Angriff zu finden, der von der aufrichtigen Empörung und ehrlichen Anteilnahme sehr vieler Nicht-Kommunisten, Nachbarn, Freunde, Kollegen und Bündnispartner getragen wurde.

Doch genau hier liegt der Unterschied zu vielen Übergriffen in der letzten Zeit. Faschisten agieren zunehmend und an immer mehr Orten in einem gesellschaftlichen Klima, das ihnen, auch öffentlich, für ihre Taten Beifall zollt, Verständnis zeigt oder sie in Schutz nimmt. Dass Faschisten Linke und Andersdenke angreifen, ist nicht neu, erschreckend ist, dass sie es aktuell mit zunehmender Zustimmung und umsichgreifendem Wohlwollen tun.

Es ist gut und richtig, dass aktuell über die stärkere Bedrohung von rechts diskutiert wird. Es ist verheerend, dass es häufig immer noch unter dem Zeichen einer Rechts-Links-Gleichsetzung getan wird. Ich weiß nicht, ob nach dem zweiten, oder dritten demolierten Auto, aber irgendwann stand mein Vater auf einer Kundgebung am Schwabacher Marktplatz und beendete eine Rede zu den zunehmenden, rechten Übergriffen mit den Worten: „Ich mache weiter, denn ich habe keine Angst!“

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"„Welches Mal?“", UZ vom 19. Juli 2019



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