Nach der Wahl in Hamburg: Weiter so?

Wirtschaftsfreundlich und unsozial

Die SPD hat mit 39,2 Prozent der Stimmen die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft, dem Landesparlament des Stadtstaats, gewonnen und wird aller Voraussicht nach auch weiterhin den Ersten Bürgermeister stellen. Sie hat den Wahlkampf mit einem auch für sozialdemokratische Verhältnisse äußerst rechten Programm geführt. „Wir in Hamburg haben einen eigenständigen, wirtschaftsfreundlichen Kurs – und den behalten wir auch bei“, erklärte SPD-Spitzenkandidat Bürgermeister Tschentscher mit Blick auf die halblinks-blinkende neue SPD-Führung in Berlin. Da wundert es nicht, dass ein Hamburger Unternehmer am Tag vor der Wahl in der größten Hamburger Tageszeitung inserierte: „Liebe CDU- und FDP-Wähler. In Hamburg können Sie getrost die SPD wählen, ohne rot zu werden!“

Was die Hamburger SPD enthusiastisch als großen Sieg feiert, ähnelt bei näherer Betrachtung mehr dem generellen Abstieg der SPD im gesamten Land – nur von einem höheren Ausgangsniveau aus. Gegenüber der letzten Wahl 2015 hat sie rund 7 Prozent der Stimmen eingebüßt, gegenüber der vorletzten 2011 sogar fast 10 Prozent. Dass es nicht noch höhere Verluste wurden, darüber kann man heute in der SPD jubeln.

Der eigentliche Sieger der Wahl sind die Grünen, die mit 24,2 Prozent ihr Wahlergebnis aus den letzten Wahlen verdoppeln konnten. Das ist sicher auf die aktuelle Klimadebatte zurückzuführen. Außerdem hatte die lokale Presse einen Zweikampf zwischen dem Ersten Bürgermeister Tschentscher (SPD) und seiner Stellvertreterin Fegebank (Grüne) herbeiphantasiert, der die Grünen als Alternative zur SPD erscheinen ließen.

Dafür gibt es aber keinen Grund. Die Grünen in Hamburg sind weder grün noch sozial. Als Juniorpartner einer CDU-geführten und später einer SPD-geführten Regierung haben sie alle umweltschädigenden, unsozialen und demokratieabbauenden Maßnahmen mitgetragen: den Bau eines großen Kohlekraftwerks, der größten Dreckschleuder in der Region, das immer tiefere Ausbaggern der Elbe mit den erheblichen Auswirkungen auf das Ökosystem des Flusses, die Privatisierung der Krankenhäuser und der Hamburgischen Elektrizitätswerke, den Verkauf der letzten städtischen Grundstücke an Immobilienhaie, die Verschärfung des Repressionsapparats. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortführen. Auch sonst tun sie alles, was „die Wirtschaft“ wünscht, und nennen das „grünen Kapitalismus“. Sie sind die Partei des modernen Großstadtbürgertums geworden. In Hamburg sagt man: „Grün ist das neue Schwarz.“

CDU, FDP und AfD wurden nach den „Ereignissen in Thüringen“ abgestraft. Die DKP hatte schon seit Beginn des Wahlkampfes in der ganzen Stadt plakatiert: „AfD raus aus der Bürgerschaft.“ Dann kam der Test von CDU und FDP, in Thüringen mit Hilfe der AfD eine rechtskonservative Regierung zu installieren. Vielen Menschen gingen die Augen auf. Fast täglich demonstrierten Tausende gegen die AfD und ihre Helfer.

Für die CDU ging die Talfahrt wie im ganzen Land weiter. Ihre 11,2 Prozent der Stimmen sind fast 5 Prozent weniger als bei der letzten und mehr als 10 Prozent weniger als bei der vorletzten Wahl. Es ist ihr nicht gelungen, sich das Image einer modernen Großstadtpartei zu geben. Der reaktionäre Teil ihrer Wählerschaft tendiert zur AfD, der modernere zu den Grünen.

Die bürgerlich-liberale FDP in Hamburg traf es trotz aller Distanzierungen von „Thüringen“ besonders hart. Ihre Wähler reagierten wohl besonders empfindlich auf die Kungelei ihrer Parteifreunde mit der AfD. Mit 4,9 Prozent verlor sie ein Drittel ihrer Wähler und scheiterte an der 5-Prozent-Hürde.

Die AfD hatte sich bei dieser Wahl sicher mehr versprochen. Mit 5,3 Prozent der Stimmen konnte sie sich – anders als in anderen Bundesländern – nicht steigern. Auch das ist sicher ein Reflex auf den Rechtsterror in Hanau, die Ereignisse in Thüringen und die heftigen Proteste der Hamburger Antifaschistinnen und Antifaschisten. Der geringe Verlust von 0,8 Prozent der Stimmen zeigt aber, dass der harte Kern ihrer Wählerschaft unerschütterlich ist. Der erneute Einzug der AfD in die Bürgerschaft konnte nicht verhindert werden.

Die Partei „Die Linke“ konnte ihren Stimmenanteil mit 9,1 Prozent leicht steigern. Die weitverbreitete Kritik an der Wohnungs- und Verkehrspolitik der Regierung, die von ihr in die Parlamentsdebatten hineingetragen wurde, konnte sie nicht in größere Stimmenzuwächse umsetzen.

Die Konsequenz aus diesem Wahlergebnis wird voraussichtlich ein „Weiter so“ sein. Es spricht alles für eine erneute Koalition von SPD und Grünen mit ihrer von ihnen selbst als „wirtschaftsfreundlich“ definierten Politik. Sozusagen eine „Große Koalition“ auf Hamburgisch. Das wurde und wird nicht nur aus den Gewerkschaften und linken Organisationen kritisiert. Selbst der Landespastor Dirk Ahrens, gleichzeitig Vorsitzender der Diakonie in Hamburg, bescheinigte der Regierung, dass sie die soziale Frage sträflich vernachlässigt. Wenn sich das ändern soll, wird der Druck von der Straße erheblich erhöht werden müssen.

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"Wirtschaftsfreundlich und unsozial", UZ vom 28. Februar 2020



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