Rondenbarg-Prozess endet mit Geldstrafen. Nachweis für einzelne Taten nicht erbracht

Verurteilt fürs „Mitmarschieren“

Am vergangenen Dienstag hat das Landgericht Hamburg sein Urteil gegen zwei Teilnehmer an Protesten gegen den G20-Gipfel im Jahr 2017 gesprochen. Im sogenannten Rondenbarg-Verfahren, benannt nach der Hamburger Industriestraße, in der die Demonstration vor sieben Jahren von der Bundespolizeieinheit „Blumberg“ gestoppt und zerschlagen wurde, wurden eine Erzieherin und ein Student zu jeweils 90 Tagessätzen verurteilt und gelten damit als vorbestraft. Durch ihre Beteiligung an der Demonstration mit rund 200 Teilnehmern hätten sie sich des Landfriedensbruchs, der Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung und Angriffen auf Polizeibeamte schuldig gemacht, so die Überzeugung des Gerichts.

Für linke Proteste ist das Urteil von bundesweiter Bedeutung, weil es den G20-Gegnern keine eigenhändig begangenen Straftaten vorwirft, sondern ein vielkritisiertes Konstrukt heranzieht: das „ostentative Mitmarschieren“, ein Element der Rechtsprechung, das bislang auf Hooligans und explizit nicht auf politische Versammlungen angewandt wurde.

Am Morgen des 7. Juli 2017 waren Demonstrationen von verschiedenen Punkten aus gestartet. Ziel war es, die Anfahrtsroute der Staatsoberhäupter zum Gipfel durch Sitzblockaden zu verhindern. Die als „Finger“ bezeichneten Demonstrationen folgten dabei erklärtermaßen der Taktik, die Polizei zu umfließen und physische Konfrontationen, so gut es in einer Großstadt mit engen Straßen geht, zu vermeiden. Als Erfolgsrezept des zivilen Ungehorsams bekannt wurde die Aktionsform im Jahr 2007 in Heiligendamm, als Zehntausende gegen den G8-Gipfel protestierten und auf breiten Feldern und Äckern die Polizeieinheiten umgingen.

Am Rondenbarg wurden nur wenige Steine auf die Polizei geworfen, die dazu ihr Ziel verfehlten. Beschädigt wurden Verkehrsschilder und eine Bushaltestelle. Durch den NDR gut dokumentiert ist hingegen der äußerst brutale Angriff der Polizeieinheit „Blumberg“, die auf fliehende und auf dem Boden liegende Demonstranten einschlug und für offene Brüche und Schwerverletzte sorgte. Doch die massive Polizeigewalt ging straffrei aus. Weder Angehörige dieser noch irgendeiner anderen Polizeieinheit wurden bisher auch nur angeklagt.

Der G20-Gipfel war damals bereits im Vorfeld begleitet von staatlicher Repression. Auf einem bislang ungekannten Niveau wurde in einem Gebiet von fast 40 Quadratkilometern das Demonstrationsrecht de facto außer Kraft gesetzt. Genehmigte Protestcamps wurden von einer sehr aggressiv auftretenden Polizei aufgelöst. Die „Welcome to Hell“-Demonstration wurde von der Polizei zerschlagen und selbst harmlose Aktionen wie das „Cornern“ (friedliche Zusammenkünfte auf der Straße) wurden mit massiver Gewalt unterbunden.

Allerdings konnte die Exekutive der Herrschenden die Proteste nur eindämmen, aber nicht verhindern. Zu groß war die Wut über die kapitalistischen Zustände in der Welt. Das wollte die Staatsmacht nicht auf sich sitzen lassen. Es folgte eine beispiellose Verfolgungswelle gegen linke Gegnerinnen und Gegner des Spektakels. Die SOKO „Schwarzer Block“ suchte die Verdächtigten mit einer Öffentlichkeitsfahndung, mit grenzüberschreitenden Ermittlungen und zahlreichen Razzien. In diesem Zusammenhang wurden gleich mehrere Verfahren nach den Paragrafen 129 und 129a des Strafgesetzbuches eingeleitet, es folgten lange Haftstrafen und das Verbot der Internetplattform „Indymedia Linksunten“. Der G20-Gipfel setzte damit neue Maßstäbe in der Verfolgung von linkem Aktivismus.

Das politisch motivierte Urteil, das ohne jeglichen Nachweis einer Straftat auskommt, bewertet die bundesweite Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e. V. als klaren Versuch, ein Exempel zu statuieren und die linke Bewegung zu spalten. Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand, bezeichnet das Rondenbarg-Verfahren als weiteren Tiefpunkt in der Kriminalisierung von Protesten und fordert die sofortige Einstellung aller G20-Verfahren. „Diese Urteile können linken Protest nicht brechen, letztendlich machen sie uns stärker, denn strömungsübergreifende Solidarität bleibt unsere stärkste Waffe, und dessen sind sich viele Aktivistinnen und Aktivisten bewusst“, erklärt die Rote-Hilfe-Sprecherin im Gespräch mit UZ. Es sei entscheidend, auch nach so langer Zeit geschlossen gegen diese Repression zu stehen und sich nicht vorschreiben zu lassen, wie politische Grundrechte auszuüben seien.

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"Verurteilt fürs „Mitmarschieren“", UZ vom 13. September 2024



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