USA und Saudi-Arabien begrüßen Proteste im Iran

Wissen worauf es ankommt

Von Manfred Ziegler

Kommuniqué der Tudeh-Partei Iran

Unser nochmaliger Aufruf:

Der einzige Weg, um die Verschwörungen des Regimes zu bekämpfen, ist Aktionseinheit, organisierter Kampf und der Schulterschluss aller gesellschaftlichen Schichten, ArbeiterInnen und Werktätigen, StudentInnen, Jugend und tapferen Frauen unserer Heimat, des weiteren die Vorbereitung der Massenstreiks für die Lahmlegung der Möglichkeiten der Regierung für ihr Fortbestehen.

Die Tudeh-Partei Iran bekräftigt nochmals, dass ihre Mitglieder sich als der untrennbare Teil der Protestbewegung gegen das Weiterbestehen der autokratischen Regierung bekennen.

Unser nochmaliger Aufruf an alle fortschrittlichen und freiheitsliebenden Kräfte, ArbeiterInnen und Werktätigen, StudentInnen, Jugend und kämpfenden Frauen unserer Heimat ist, geschlossen in eine antidiktatorische Einheitsfront für folgende Forderungen einzutreten:

  • Beseitigung des Rechtsgelehrten-Regimes und Beendigung der klerikalen und diktatorischen Herrschaft in unserer Heimat!
  • Sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen!
  • Beendigung der Armut, Teuerung, Benachteiligung, wirtschaftlichen Härte, Korruption und Gewalt der Regierungsapparate!
  • Beendigung der herrschenden Gewalt und Unterdrückung sowie die Rückberufung aller unterdrückenden Kräfte in ihre Kasernen!
  • Bildung einer national-demokratischen Regierung und Volksherrschaft!

Es lebe der gemeinsame Kampf der iranischen Bürger gegen die herrschende Diktatur!

Zentral-Komitee der Tudeh-Partei Iran

02.01.2018

Im Mai 2017 errang Hassan Rohani als Vertreter der islamischen Führungsschicht und zugleich moderater Reformpolitiker einen überragenden Wahlsieg. Zehntausende seiner Anhänger – und die Börse von Teheran – feierten begeistert seine Wiederwahl zum Staatspräsidenten. Ajatollah Ali Chamenei gratulierte dem iranischen Volk zur Wahl und zur hohen Wahlbeteiligung – nicht aber dem wiedergewählten Präsidenten. Rohani richtet seine Politik auf eine wirtschaftliche Entwicklung aus, die auf Kooperation mit den westlichen Industrieländern setzt. Ein Ende der UN-Sanktionen sollte die Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Boom bieten.

Scheinbar hatte Rohani sein Ziel mit dem Atomabkommen erreicht. Doch ein Ende der Sanktionen? Seit seinem Amtsantritt hat Trump deutlich gemacht, dass die USA gemeinsam mit Saudi-Arabien und Israel mehr denn je am Regime-Change im Iran arbeiten. Die Drohungen Saudi-Arabiens gegen den Libanon und den Iran machen deutlich: Der Einfluss des Iran soll verringert werden, die Unterstützung für Syrien und die Hisbollah soll bestraft werden.

So hatten die USA ihre eigenen Sanktionen gegen den Iran beibehalten. Sie treffen direkt oder indirekt den Finanzsektor und behindern jede wirtschaftliche Transaktion. Kein Unternehmen, keine Bank, die in den USA Geschäfte machen will, ist davor gefeit, selbst sanktioniert zu werden, wenn sie Geschäfte mit dem Iran fördert. Der „Große Satan“ wird seine Sanktionen nicht aufgeben.

Und unter der Ungewissheit der US-Sanktionen und der feindseligen Politik Trumps gegenüber dem Iran ist der erhoffte Wirtschaftsboom und das Milliardengeschäft für deutsche und europäische Unternehmen bisher ausgeblieben.

Im Iran leiden die Menschen seit vielen Jahren unter den Sanktionen. Sanktionen schwächen die Wirtschaft, führen zu mehr Arbeitslosigkeit und fördern die Korruption.

Die Wirtschaftspolitik der Regierung weitet die Schere zwischen Arm und Reich. Und im neuen Staatshaushalt wurde das Grundeinkommen gekürzt, das für viele Familien ein wichtiger Teil des Einkommens ist. Stattdessen erhalten religiöse Organisationen mehr Geld.

Schon seit Wochen gab es dagegen und gegen andere konkrete Missstände Proteste und Demonstrationen. Auf einen Schlag änderten sie ihren Charakter. Demonstranten forderten ein Ende der Islamischen Republik. Es gab gewaltsame Auseinandersetzungen, den bewaffneten Einsatz der Sicherheitskräfte, Brandstiftungen, Angriffe auf Polizeistationen, Tote und Verhaftungen. Die westlichen Medien vom „Spiegel“ bis zu „Jungle World“ hyperventilierten und sahen die Revolution kommen. Oder wenigstens den „Regime-Change“.

Waren die Demonstrationen und vor allem die gewaltsamen Auseinandersetzungen vom Ausland angezettelt, wie die iranische Regierung nicht müde wird zu betonen? Der weit überwiegende Teil der Tweets zu den aktuellen Auseinandersetzungen kam aus Saudi-Arabien. Und die Parolen gegen Hisbollah und gegen die iranische Unterstützung für Syrien zeigen: Die Organisatoren dieses Teils der Proteste wissen genau, worauf es den USA und Saudi-Arabien ankommt. Die Vertreterin der USA bei den UN, Nikki Haley, griff den Ball auf und forderte eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates. Einer ihrer Vorgänger, John Bolton, forderte direkt: Regime-Change.

Demonstrationen für die Regierung waren um ein Vielfaches größer als die der Gegner, doch die Millionen blieben wohl zu Hause. Der Regime-Change fand nicht statt. Vielleicht, weil im Iran die Erinnerung an den erfolgreichen Regime-Change durch die USA und Großbritannien, der Sturz von Mossadegh 1953, noch zu sehr im kollektiven Gedächtnis verhaftet ist.

Korruption und religiös begründete Zwänge haben in der jungen und gebildeten Gesellschaft des Iran, in der Frauen eine so aktive Rolle spielen, keine große Zukunft.

Das erklärt mit den Wahlerfolg Rohanis. Er war es auch, der darauf hinwies, dass es in den Demonstrationen nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um politische Probleme ging. Doch seine wirtschaftliche Reformpolitik, die Orientierung auf den Westen, ist gerade an der Feindschaft der USA gescheitert.

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"Wissen worauf es ankommt", UZ vom 12. Januar 2018



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