Rede von Patrik Köbele auf der Demonstration

Zeitenwende: Wir zahlen nicht für eure Kriege

Pressemeldung des Bündnisses: Bundesweite Demonstration „Zivile Zeitenwende“ am 2.7.2022 in Berlin

Am 2. Juli 2022 demonstrierten 4.000-6.000 Menschen in Berlin unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Kriege! 100 Milliarden für eine demokratische, zivile und soziale Zeitenwende statt für Aufrüstung“. Für die Demonstration hat sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zusammengefunden (friedensbewegte Studenten und Rentnerinnen, Ärztinnen und Hafenarbeiter, Aktive aus DKP, Kirche, Jugendorganisationen, LINKE, GRÜNE und SPD, IPPNW, Gewerkschaften, Friedens- und Antifa-Gruppen und vielen weiteren). Die gemeinsame positive Entwicklungsambition für die Menschheit entgegen der plan- und hilflosen militärischen Eskalation fand auch in einer solidarischen Kultur zwischen allen Teilnehmenden und Bündnispartner:innen Ausdruck.

Die Demonstration endete mit lebensbejahenden Brecht-/Eisler-Interpretationen von Gina Pietsch sowie der Rezitation von Wolfgang Borcherts „Sag nein!“ durch Rolf Becker, anschließend an zahlreiche Redebeiträge und Grußworte. Die Rednerinnen und Redner stifteten aus der eigenen politischen Tätigkeit Perspektive für die verallgemeinerbaren Ansprüche auf eine solidarische Kultivierung der Gesellschaft durch massive öffentliche Investitionen und dauerhafte Ausgabenerhöhungen für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Klima – „zur zivilen, demokratischen und sozialen Wohlentwicklung weltweit“ (wie es im Demoaufruf heißt). Mit Sprechchören wie „100 Milliarden für Bildung und Gesundheit!“, „Noch mehr Rüstung, noch mehr Waffen werden keinen Frieden schaffen“ und „Hoch die internationale Solidarität!“ zog die Demonstration lautstark, ausgreifend und positiv gestimmt durch das Berliner Regierungsviertel. Die Sprechchöre sowie die eindrückliche Aufnahme von Oskar Werner, der „Drei Minuten Gehör“ von Kurt Tucholsky liest, regte in der Friedrichsstraße viele Passant:innen dazu an, sich in die Demonstration einzureihen.

Für die Initiator:innen der Demonstration „Zivile Zeitenwende“ charakterisierten Katharina Jessen und Gunhild Berdal im Eröffnungsbeitrag die Bedeutung des Friedensbündnisses: „Wir stehen vor einer historischen Entscheidungssituation, gesellschaftlich und persönlich: Zivilisation oder Barbarei? So wie es ist, bleibt es nicht. Die Herrschenden versuchen die tiefgreifende, globale Krise als Reaktion auf und in Bekämpfung der Notwendigkeit und Möglichkeit für sozialen Fortschritt mit mehr Gewalt, Militarisierung und Krieg zu beantworten.“ Die Lösung für die Krise liege jedoch in den sozialen Bewegungen für eine bessere Zukunft: „Das ist unser gemeinsamer und unteilbarer Kampf! Indem wir heute mit dieser Demo hier zusammenkommen, von- und miteinander lernen und unser Wirken vereinen, gestalten wir jetzt schon den Aufbruch in eine demokratische, zivile und soziale Zeitenwende!“

Elsa Rasbach überbrachte Grußworte von US-Amerikanischen Friedensorganisationen, darunter von der Kampagne Ban Killer Drones, die betonte, dass der anhaltende Widerstand gegen bewaffnete Drohnen in Deutschland ein Ausgangspunkt für ihre Kampagne war: „Dank dieser Art von Solidarität werden wir Friedensorganisatoren gewinnen.“ Von Code Pink übermittelte sie die Freude darüber, mit einer wiedererstarkenden Friedensbewegung in Deutschland gemeinsam wirkungsvoll zu sein: „Eure Graswurzelbewegung zeigt den Weg auf, sich wirksam gegen die undemokratischen Versuche in Deutschland und in anderen NATO-Ländern zu wehren, das Militär, die Kräfte der Zerstörung, in diesem entscheidenden Moment der Geschichte unseres Planeten aufzurüsten. Sie geben nicht nur den Menschen in Deutschland Hoffnung, sondern auch uns in den USA und möglicherweise den Menschen in der ganzen Welt. Ich danke Euch.“

An diese globale Bedeutung der Friedensbewegung in Deutschland erinnerten in einem aufgezeichneten Grußwort auch die Ostermarsch-Initiator:innen Helga und Konrad Tempel, die 1961 mit europäischen und US-amerikanischen Friedensbewegten am Marsch von San Francisco nach Moskau teilgenommen hatten.

Martina Basso von der Berliner Mennonitischen Gemeinde schöpfte aus der biblischen Einheit von Frieden und Gerechtigkeit einen ethischen Humanismus gegen entwertende Feindbilder und gestiftete Hoffnungslosigkeit: „Gewaltfreiheit ist nicht Nichtstun. Gewaltfreiheit baut nicht auf Muskeln und Waffen. Sie baut auf das unentwegte Bewusstsein, dass es auf Erden keine Menschen gibt, so brutal und feindselig er auch sei, der aus biblischer Sicht nicht als Gottesebenbildlichkeit angelegt ist.“ „Vor fast 40 Jahren schmiedete Stefan Nau in Wittenberg ein Schwert zu einer Pflugschar, und das wurde zu einem Symbol vor allem der christlichen Friedensbewegung in Ost und West. […] Symbole helfen mir, nicht zu verzweifeln, nicht zu resignieren und weiterhin Kraft zu schöpfen, um gegen alle Kriegstreiberei und Waffenproduktion meine Stimme zu erheben. Mit Ihnen und euch zusammen. Über die Grenzen von unterschiedlichen Ideologien hinweg.“

Für das Bündnis „Jugend gegen Krieg“ machte Loreen Schreck aus dem Bundesvorstand von SDJ – Die Falken deutlich, dass diese Generation alles andere als verloren ist. Das Bündnis streitet mit Solidarität gegen Vereinzelung: „Egal wo wir leben, und egal wie alt wir sind, wir können und wollen nur miteinander und nur im Frieden leben. Wir kämpfen für eine Ausfinanzierung von Bildungseinrichtungen und gegen die Präsenz der Bundeswehr in Schulen, Betrieben und Universitäten. Weil Bildung und Vernunft das ist was wir der Brutalität des Kriegs entgegensetzen.“. – „Wir sind nicht bereit, für die Kriege der Herrschenden herzuhalten. Denn wir wissen: Die Jugendlichen in anderen Ländern, auf die wir in fünf, zehn oder 20 Jahren schießen sollen, haben tausendmal mehr mit uns gemein, als die, die uns befehlen wollen zu schießen.“

Rede von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP

Auf der Homepage der NATO findet sich folgende Formulierung:

„Die Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine gehen zurück auf die frühen 90iger Jahre und haben sich seit dieser Zeit zu einer der wichtigsten NATO-Partnerschaften entwickelt. Seit 2014, dem Beginn des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, wurde die Zusammenarbeit in kritischen Bereichen intensiviert.“

Wohlgemerkt da steht 90iger Jahre und 2014, das Jahr des Maidanputschs.

Stoltenberg, Generalsekretär des NATO-Kriegsbündnis verkündete vor wenigen Tagen, dass die schnelle Eingreiftruppe der NATO von jetzt 40.000 auf 300.000 Soldaten, also auf das 7,5 fache, erhöht werden sollen – innerhalb eines Jahres.

Glaubt jemand, diese Pläne seine neu und lägen nicht schon lange in der Schublade – ich glaube das nicht.

Am dritten Tag nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verkündete Scholz sein Aufrüstungsprogramm:

100 Milliarden Sonderschulden für Kriegsgerät – verankert im Grundgesetz.

Sanktionen, um wie Frau Baerbock sagt „Russland zu ruinieren“.

Der Tabubruch: Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet.

Der Tabubruch: 2%-Ziel der NATO, damit Deutschland dauerhaft den dritthöchsten Kriegsetat der Welt hat.

Der Tabubruch: Die Atomwaffen sollen in Büchel bleiben, die Bomber und Bomben modernisiert werden

Der Tabubruch: Her mit den Kampfdrohnen

Glaubt eigentlich irgendwer, dass solch ein Programm in weniger als 72 Stunden ausgearbeitet werden kann – ich glaube das nicht.

Wir Kommunistinnen und Kommunisten analysieren ja den Staat und die Regierung im Kapitalismus als „ideeler Gesamtkapitalist“ – das muss man ja nicht teilen, aber das die Interessen der großen Banken und Konzerne beim Regieren eine Rolle spielen kann ja wohl auch keiner abstreiten.

Was steckt dann aber hinter den Plänen der Ampelregierung – nun Scholz hat es ja im Bundestag eigentlich skizziert – Deutschland will wieder Großmacht werden.

Nun könnte eingewendet werden – warum betreibt und beteiligt sich die Bundesregierung dann an einer Sanktionspolitik, die nicht nur Millionen Menschen in diesem Land mit Armut bedroht, sondern durchaus auch die Interessen von Unternehmen und Branchen. Gut, wie immer werden das ja nicht die Kapitalisten bezahlen, trotzdem ist es ja merkwürdig, dass der Fracking-Industrie der USA, die ja „großer Bruder“ und Konkurrent ist, der Weg geöffnet wird.

Manche Friedensfreunde erklären das damit, dass Frau Baerbock nie Diplomatie gelernt habe, andere schätzen härter ein, dass die Ampel nur der verlängerte Arm des US-Imperialismus sei.
Ich teile das nicht und ich halte vor allem für falsch, das Kapital in Deutschland und seine Regierung zu unterschätzen. Ich traue ihnen jede Schandtat zu, aber doof sind sie nicht.

Ich bin mir relativ sicher, dass die NATO-Osterweiterung, beginnend ab 1999, das der Maidanputsch zur EU- und NATO-Integration der Ukraine bezüglich Russland das Ziel hatte, Russland zu dem zu entwickeln, was es unter Jelzin schon einmal war, einem rohstoffliefernden Vasallenstaat von NATO und EU. Und ich bin mir sicher, dass der Blick über Russland hinaus geht – es geht eben auch um China.

Das neue Strategiekonzept der NATO, beschlossen diese Woche, wird deutlich, dort wird formuliert: Die Stärkung der Beziehungen zwischen Russland und China wird von der Allianz als unvereinbar mit den Werten der NATO angesehen.

Das ist deutlich.

Wir haben unterschiedliche Beurteilungen des russischen Angriffs auf die Ukraine – aber diese ändern nichts, aber auch gar nichts daran, dass die NATO das aggressive Kriegsbündnis des Imperialismus ist – nicht erst seit dem Überfall auf Jugoslawien.

Raus aus der NATO – NATO raus aus unserem Land.

Weg mit dem Hochrüstungsprogramm und den Großmachtambitionen Deutschlands. Stoppt die 100 Milliarden-Aufrüstung, das 2-Prozent-Ziel – beenden wir die nukleare Teilhabe – Büchel dichtmachen – keine Kampfdrohnen und keine „Dark Eagle“ nach Europa.

Schluss mit der Sanktionspolitik – kein Frieren für NATO, EU und deutsche Großmachtambitionen.

Das sind Dinge, die wir wieder, vor allem auch in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung dieses Landes verankern müssen.

Die Friedensbewegung der 80iger Jahre hat gezeigt, dass Zusammengehen von Friedens- und Arbeiterbewegung macht den Kriegstreibern und Imperialisten Kopfzerbrechen.

Lasst uns ausdauernd, zäh und gemeinsam für ihren Kopfschmerz kämpfen.

Siehe auch die Rede von Anne Rieger, Sprecherin des Bundesausschusses Friedensratschlag:



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