Bundesverkehrswegeplan zementiert Klimakrise

Zukunft wird verbaut

Lenny Reimann

Die UZ sprach mit Hans Christoph Stoodt über die Erfordernisse einer Verkehrspolitik, die angesichts der drohenden Klimakatastrophe Gebot der Stunde wäre. Hans Christoph Stoodt ist Mitglied der Gruppe „Lebenslaute“ und Klimagerechtigkeitsaktivist.

UZ: Sie engagieren sich in der Gruppe „Bundesverkehrswegeplan stoppen!“, die sich mit einem Offenen Brief an die künftigen „Ampelkoalitionäre“ gewandt hat. Darin bezeichnen Sie den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) als verfassungswidrig und fordern dessen Aussetzung. Was hat es mit dem BVWP auf sich und warum lehnen Sie ihn ab?

490302 Hans Christoph Stoodt - Zukunft wird verbaut - Autobahngesellschaft, Klimaschutz, Verkehr - Wirtschaft & Soziales

Hans Christoph Stoodt: Der BVWP ist das Rahmenwerk, aus dem bundesweit der Bau von Autobahnen und Fernstraßen finanziert wird. Die in ihm enthaltenen Projekte werden der heutigen, durch die begonnene Klimakatastrophe gekennzeichneten Lage in keiner Weise gerecht. Sie treiben die Krise vielmehr voran – wovon vor allem die Energie- und die KFZ-Industrie profitieren. Das ist, wie in den letzten Monaten von mindestens drei Rechtsgutachten verschiedener Verbände und Organisationen bestätigt wurde, verfassungswidrig. So können die vom Bundesverfassungsgericht im Frühjahr diesen Jahres angelegten Maßstäbe der Zukunftsvorsorge für spätere Generationen nicht eingehalten werden. Und so kann auch das völkerrechtlich verbindliche Pariser Abkommen von 2015 nicht umgesetzt werden.

UZ: Und was erwarten Sie diesbezüglich nun von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP?

Hans Christoph Stoodt: Ich persönlich erwarte nichts. Wir brauchen deshalb massiven öffentlichen, außerparlamentarischen Druck auf die Damen und Herren der „Ampel“, um eine radikale Wende in der für die Klimaentwicklung entscheidenden Verkehrspolitik zu erzwingen. Ich sehe da beispielsweise in jeder Waldbesetzung gegen den Autobahnbau ein Hoffnungszeichen. Je koordinierter und klarer wir da vorgehen, desto größere Chancen auf eine Verkehrswende haben wir.

Aber klar, die FDP und auch die anderen „Ampel“-Parteien werden unsere Forderungen nicht groß berücksichtigen. Wie Bündnis 90/Die Grünen beispielsweise zum Autobahnbau stehen, konnte und kann man an den für eine Autobahn angerichteten frischen Verwüstungen im hessischen Dannenröder Forst bewundern – also in einem Bundesland, wo diese frühere Öko- und Friedenspartei mitregiert. Das wurde übrigens seitens dieser Partei damit auch noch einmal provozierend bekräftigt, dass man ausgerechnet den hessischen Verkehrsminister Al-Wazir, politisch entscheidend mitverantwortlich für die brutale Räumung des Dannenröder Forstes im Herbst 2020, zum Verhandlungsführer für Verkehrspolitik in die Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene geschickt hat. Solche Kräfte werden nicht auf uns hören. Wir wenden uns an die Öffentlichkeit und machen darauf aufmerksam: Alles muss man selber machen – auch die Verkehrswende!

UZ: Wie sähe denn ein Bundesverkehrswegeplan aus, den Sie sich wünschen und den Sie mittragen würden?

Hans Christoph Stoodt: Ein künftiger BVWP muss unserer Ansicht nach in einem Prozess entwickelt werden, an dessen Ende ein verbindlich vorgeschriebener Konsens stehen muss. Ein Prozess, an dem die Umwelt- und Klimaschutzverbände und -initiativen, die Initiativen für eine Verkehrswende gleichberechtigt beteiligt sein müssen. Ich kann dem Ergebnis nicht vorgreifen. Aber Jahrzehnte alte Projekte dürfen heute nicht denen die Zukunft zuzementieren, die dann erst leben werden. Und genau das passiert derzeit leider. Das muss jetzt aufhören!

UZ: Dann ganz konkret: Wie wollen Sie den politischen Druck erhöhen?

Hans Christoph Stoodt: Wir brauchen aus meiner Sicht besser koordinierte und deutlichere außerparlamentarische Aktionen für eine klimagerechte Verkehrswende, die die Regierenden dazu zwingt, auf uns zu hören: von Mahnwachen, Demonstrationen und Kundgebungen bis hin zu Aktionen des zivilen Ungehorsams wie Bauplatzbesetzungen oder Autobahnblockaden. Letztlich ist das aber natürlich alles eine Machtfrage. Ich persönlich bin mir leider sehr sicher, dass die besagten Probleme im Rahmen des Kapitalismus nicht wirklich lösbar ist. Aber wir wollen nichts unversucht lassen!

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"Zukunft wird verbaut", UZ vom 10. Dezember 2021



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