Klimafreundliche Alternative für Gütertransport und Reisende wird ausgebremst

Ökologische Verkehrspolitik überfällig

Von Rainer Perschewski

Die Aktionen der Bewegung „Fridays for Future“ halten die Klimaschutzdebatte im Fokus der Medien und der Politik. Das ruft auch das Interesse verschiedener Konzerne auf dem Plan: Viele Industriekonzerne und insbesondere die Autoindustrie haben kein gesteigertes Interesse an einer Wende in der staatlichen Klimapolitik. Entsprechend kursieren die unterschiedlichsten, teils gegenläufigen Vorstellungen, wie die Klimaschutzziele umzusetzen sind.

Die Verkehrsbranche hat für die Umsetzung nachhaltiger Klimapolitik eine zentrale Bedeutung. Eine entsprechende Verkehrspolitik zugunsten der Schiene könnte das Erreichen der vereinbarten Klimaziele in greifbare Nähe bringen. Ein paar Fakten:

Ob Belastungen mit Treibhausgasen, CO2, Stickoxiden oder Feinstaub: Der schienengebundene Fern- und Nahverkehr schneidet im Verhältnis zum Flugverkehr mit riesigem Abstand und zum PKW-Verkehr sehr deutlich klimafreundlicher ab. Nur der Reisebus kann aufgrund höherer Auslastung gegenüber dem Schienenverkehr mithalten.

Auch der innerstädtische öffentliche Personennahverkehr hält jedem Vergleich im Hinblick auf klimaschädliche Abgase zum motorisierten Individualverkehr stand.

Eine Verdoppelung der Zahl der Bahnreisendenzahlen pro Jahr würde etwa fünf Millionen PKW-Fahrten oder 14 000 Flugreisen überflüssig machen.

Eine Steigerung des Schienengüterverkehrs von derzeit 18 Prozent auf 25 Prozent auf deutschen Straßen würde etwa 13 Millionen weniger LKW-Fahrten bedeuten.

Die Umsetzung einer nachhaltigen klimaschutzorientierten Verkehrspolitik allein könnte so etwa 25 Prozent der Klimaziele erreichen, erfordert aber Investitionen in Milliardenhöhe. Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Die Deutsche Bahn AG (DB AG) und die Bundesregierung einigten sich laut Medienberichten auf eine neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFv) in Höhe von 86 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Dieses umfasst nur die Instandhaltungs- oder Ersatzinvestitionen und keinen Ausbau des Schienennetzes. Laut Angaben der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wird damit aber der Investitionsstau für die für den Erhalt des Schienennetzes nicht kleiner.

Eine nachhaltige Verkehrswende erfordert darüber hinaus den Ausbau des bestehenden Schienennetzes. Eine erste Maßnahme sollte die Wiederinbetriebnahme und -instandsetzung der in den letzten 20 Jahren stillgelegten 6 500 Streckenkilometern sein. Dazu gehört die Verlagerung von Schienengüterverkehr von der Straße auf die Schiene und die Wiedererrichtung von einem Netz von Güterverkehrsbahnhöfen mit dem Ziel, Güter ab 50 Kilometer Transportstrecke auf den Schienenweg zu setzen. Weitere Maßnahmen wären die Abschaffung der finanzielle Begünstigung beispielsweise des Flugverkehrs durch steuerfreies Kerosin oder die Mautfreiheit für den Fernbusverkehr, ebenso die finanzielle Benachteiligung des Schienenpersonenverkehrs durch die Energiesteuer. Ohne diese – lediglich kleine Auswahl von – Maßnahmen ist die Unternehmensstrategie einer Deutschen Bahn AG unter der Überschrift „Starke Schiene“, mit der die Bahn „robuster, schlagkräftiger und moderner“ werden will, Makulatur, da der Schienenverkehr nicht über die Rendite gesteuert werden kann.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Schienenverkehr wieder unter einheitliche öffentlich-rechtliche Trägerschaft gestellt werden muss. Vorstellungen der vermeintlichen „Umweltpartei“ Bündnis90/Die Grünen zur Zerschlagung der Deutschen Bahn AG und dem Verkauf von Unternehmensteilen sind kontraproduktiv und die Fortführung dessen, was mit der so genannten Bahnreform 1994 begonnen wurde. Der Schienenverkehr würde damit noch weiter ein Spielball der Monopole.

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"Ökologische Verkehrspolitik überfällig", UZ vom 20. September 2019



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