In Japan haben Wahlen stattgefunden

Zwischen Antikommunismus und Ratlosigkeit

Tim Beyermann

Am 31. Oktober fanden in Japan die Parlamentswahlen statt. Die konservativ-rechte Regierung aus „Liberaldemokratischer Partei“ (LDP) und ihrem Juniorpartner „Komeito“ verlor dabei zwar an Boden, konnte am Ende aber trotzdem 293 der 465 Sitze holen. Die Wahlbeteiligung blieb mit knapp über 50 Prozent weiterhin schlecht. Die jungen Menschen demonstrierten erneut, wie wenig sie sich von der Politik vertreten fühlen, indem sie der Urne fernblieben, während die älteren Menschen in den Städten sowie die Landbevölkerung der LDP erneut die Wahl retteten.

Im Wahlkampf gab es Diskussionen über die Absprachen der fünf größten Oppositionsparteien, in den 75 Prozent der Wahlbezirke, in denen nach dem Direktmandatsprinzip gewählt wird, jeweils nur einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Vor allem die Teilnahme der Japanischen Kommunistischen Partei (JCP) an diesen Absprachen sorgte für Schlagzeilen. Bei einem Wahlsieg der Oppositionsparteien sahen konservative und liberale Kommentatoren die Gefahr einer Regierungsbeteiligung der JCP. Schnell aber wurden ihnen diese Ängste von den anderen Oppositionsparteien genommen: Diese wurden nicht müde zu betonen, dass eine Zusammenarbeit mit der JCP bei der Taktiererei an der Wahlurne ende und sie selbst bei einer Regierungsbeteiligung der Kommunistinnen und Kommunisten diesen keinen Ministerposten zugestehen würden.

Ebenfalls interessant ist das Abschneiden zweier erst kürzlich gegründeter Parteien. In Japan ist es nicht unüblich, dass sich Parteien in ähnlicher Konstellation und mit ähnlichem politischem Programm neu gründen oder mit anderen Parteien fusionieren und so auch aus dem Stand wieder in die Parlamente einziehen. Bei der „Demokratischen Partei für das Volk“ war genau das der Fall. Sie holte mit ihrer kruden Mischung aus Rechtspopulismus und Pazifismus aus dem Stand elf Sitze. Ganz anders die erst 2019 gegründete Partei „Reiwa Shinsengumi“. Aufbauend auf einer Mischung aus Antikapitalismus, Antiatomkaft, Tier- und Umweltschutz sowie einer allgemeinen Abwehrhaltung gegenüber allen Gesetzesinitiativen der LDP-Regierung gewann sie drei Sitze und stellt damit ziemlich genau den Stimmenverlust der JCP dar, die von zwölf auf zehn Abgeordnete zurückfiel.

Das Programm der JCP, welches sich wie das einer sozialdemokratischen Partei mit starkem friedenspolitischen Einschlag liest, hat im Laufe der letzten Jahrzehnte einige kommunistische Federn gelassen. Selbst wenn man die reale Gefahr von staatlicher Repression bis hin zum Verbot der Partei mit in Betracht zieht, lässt sich die Wechselbeziehung von voranschreitender Sozialdemokratisierung und Stimmenverlusten nicht leugnen.

Schon vor der Wahl zeichnete sich in den Umfragen kein gutes Ergebnis ab, was bei der JCP allerdings nur allgemeine Ratlosigkeit hervorzurufen schien. Auch die Medienberichterstattung war für die JCP gewohnt schlecht. Wenn überhaupt über sie berichtet wurde, ging es um die Skandalisierung von Bagatellen, während die LDP und ihre Handlanger in praktisch jedem Nachrichtensender Dauergäste waren.

Kazuo Shii, der Vorsitzende der JCP, kündigte bei einer Pressekonferenz am Montag vergangener Woche an, dass er auch nach der Wahl an dem Modell des „Joint Struggle“, also der Einheitsfront mit den anderen Oppositionsparteien im Kampf um Parlamentssitze, festhalten möchte.

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"Zwischen Antikommunismus und Ratlosigkeit", UZ vom 12. November 2021



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