Zu Nazis und Verfassungsschutz

Alte Freunde

Horst Seehofer wehrt sich auch nach dem jüngsten Auffliegen eines rechten Netzwerkes bei der Sicherheitsbehörde (diesmal in NRW) gegen eine Studie zu rechtsextremen Einstellungen bei Polizisten. Stattdessen brauche es einen „wesentlich breiteren Ansatzes für die gesamte Gesellschaft“. Klar, es ist ja auch die gesamte Gesellschaft, die verbotenes „Racial Profiling“ durchführt, auf linke Demonstrantinnen und Demonstranten einprügelt und bei Naziverbrechen wegsieht.

Außerdem erscheine ja nun endlich Ende September das Lagebild des Verfassungsschutzes zum Thema, versucht Seehofer die Kritik an seiner Verweigerung auszukontern.

Nur mal als kleine Bemerkung am Rande: Das Lagebild hat das Thema „Rechtsextremismus im Öffentlichen Dienst“, es wird also keine Studie zu Rassismus und Nazi-Netzwerken bei der Polizei, sondern das Zusammentragen von Erkenntnissen der Landesbehörden des Verfassungsschutzes über mehr als vier Millionen Menschen. In so einem Lagebericht werden die 250.000 Polizistinnen und Polizisten und die 170.000 Menschen, die als Kanonenfutter bei der Bundeswehr ihr Dasein fristen, nicht besonders ins Gewicht fallen. Selbst wenn die Hälfte von ihnen nach dem Lagebericht stramme Nazis wären, sind das von 4 Millionen Menschen nur etwas über 5 Prozent.

Das Problem ist allerdings vor allem, wer hier wen begutachtet. Es ist fast schon ermüdend, immer wieder auf die Ursprünge des Verfassungsschutzes zu verweisen, auf die Nazis, die sich dort tummeln und nur selten auffliegen, so wie gerade eben der Personenschützer des Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang (das ist der, der nach Maaßen endlich mal eine weiße und keine braune Weste anhaben sollte), auf das Schreddern von Akten und darauf, dass mit Andreas Temme im Fall von Halit Yozgat mindestens bei einem der NSU-Morde ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes dabei war.

Der Verfassungsschutz ist nicht dazu da, die Menschen in diesem Land vor Nazis zu schützen. Im Gegenteil. Innenminister Seehofer setzt jetzt darauf, dass genau diese Leute ihre Gesinnungsgenossen bei der Polizei enttarnen. Das wird wohl eher zu einem Treffen alter und neuer Freunde.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Alte Freunde", UZ vom 25. September 2020



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