Ermittlung gegen Berliner Café-Betreiber wegen Rede auf Antikriegskundgebung

Antifaschist angezeigt

Gegen den Berliner Friedensaktivisten Heinrich Bücker ist ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 140 Strafgesetzbuch (StGB) eingeleitet worden. Der Paragraph ahndet die „Belohnung und Billigung von Straftaten“ mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Bücker informierte in einer Presseerklärung am 9. Dezember darüber, dass er von einem Berliner Rechtsanwalt angezeigt worden sei und Ende Oktober ein entsprechendes Schreiben vom Berliner Landeskriminalamt bekommen habe.

Bücker ist Mitglied der Kommunistischen Plattform der Partei „Die Linke“ und Betreiber des „Coop Anti-War Café“ in Berlin-Mitte. Er ist seit Jahren aktiv in der Donbass-Solidarität und hat seit der Eskalation des Krieges in der Ukraine eine Reihe von Stellungnahmen veröffentlicht, darunter im April 2022 einen Brief an die russischen Veteranen, den auch die UZ dokumentierte (kurzelinks.de/veteranen). Wegen dieser Arbeit wurden der Antifaschist und seine Gäste mehrfach angepöbelt, eine Fensterscheibe des Cafés zerstört.

Nun folgen staatliche Ermittlungen. Hintergrund ist laut Bücker unter anderem eine Rede, die er am 22. Juni 2022 bei einer Kundgebung der Berliner Friedenskoordination (Friko) am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park gehalten hat. Anlass war der Jahrestag des Überfalls der faschistischen Wehrmacht 1941 auf die Sowjetunion. „Mein Vergehen“, so Bücker: „Ich nahm öffentlich auf geschichtliche Tatsachen Bezug, nämlich auf die Beteiligung ukrainischer Organisationen (UPA und OUN) an Pogromen an Juden, Polen und anderen Gruppen sowie weiteren Polizei- und Kriegseinsätzen im unprovozierten Angriffskrieg Nazideutschlands gegen die Sowjetunion.“ Und er zog den Bogen zu heute: Heute hätten nationalistische, neofaschistische Nachfolgeformationen in der Ukraine massiven Einfluss auf Politik, Kriegsführung und Gesellschaft. Das halte Deutschland aber nicht davon ab, die Ukraine seit dem Einmarsch der russischen Armee militärisch und finanziell massiv zu unterstützen und ukrainische Soldaten in Deutschland auszubilden. „Wer heute über die Fakten und die Vorgeschichte des Konflikts in der Ukraine berichtet, hat mit Ablehnung, Verunglimpfung und Zensur zu rechnen“, so der Friedensaktivist.

In der Anzeige gegen Bücker wird auch eine Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine aus dem März 2022 herangezogen. Sie wurde damals von hunderten von Organisationen und Einzelpersonen unterzeichnet, darunter auch einige Mitglieder der DKP. In dieser Stellungnahme, so der Aktivist, heiße es ausdrücklich: „Wir sind tief besorgt über die dramatischen Ereignisse in der Ukraine und treten für eine friedliche Lösung ein.“

Bücker ruft dazu auf, sich der Einschränkung der Meinungsfreiheit entgegenzustellen. Durch gesetzliche Vorgaben wie den neu hinzugekommenen Absatz 5 des Paragraphen 130 StGB („Volksverhetzung“) würden nicht staatskonforme Auffassungen zum Krieg in der Ukraine kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt und mit der Holocaustleugnung rechtlich auf eine Stufe gestellt. Es gebe inzwischen eine Reihe von Einzelpersonen, die im Fokus der deutschen Strafermittlungsbehörden stehen.

Solidarität ist nötig – mit Heinrich Bücker und weiteren betroffenen Friedensaktivisten.

Die Erklärung von Heinrich Bücker mit Links zu seiner Rede vom 22. Juni und der Erklärung vom März 2022 gibt es hier: kurzelinks.de/einschraenkung

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Antifaschist angezeigt", UZ vom 16. Dezember 2022



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