Über die große Parteienkoalition für Israel und die freie Presse

Auf Netanjahus Linie

Die vorläufige Bilanz des jüngsten israelischen Kriegs gegen Gaza lautet: 248 Tote unter den Einwohnern und extreme Verwüstungen im Gaza-Streifen, 13 Tote in Israel. Der in der Nacht zum 21. Mai in Kraft getretene Waffenstillstand kam offenbar durch massiven Druck aus Washington zustande. Am 19. Mai hatte US-Präsident Joseph Biden laut Weißem Haus Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ultimativ mitgeteilt, „dass er heute eine bedeutsame Deeskalation auf dem Weg zur Waffenruhe erwartet“.

Biden ist damit nach den Maßstäben der deutschen Bundesregierung und des Großteils der deutschen Presse ein Antisemit. Gleiches gilt für US-Senator Bernie Sanders von den Demokraten. Er hatte bereits am 14. Mai in der „New York Times“ Israels Premierminister Benjamin Netanjahu die Hauptschuld an dem Krieg zugewiesen, ohne die Angriffe der Hamas zu entschuldigen. Er warf Netanjahu „rassistischen Nationalismus“ vor.

Das hielt Außenminister Heiko Maas (SPD) nicht ab, am 19. Mai im Bundestag eine antipalästinensische Hetzrede zu halten, in der er für die Gewalteskalation ausschließlich „den Raketenterror der Hamas“ verantwortlich machte. Seinen fast unverhüllten Aufruf, Israel solle mehr Gewalt einsetzen, fasste der AfD-Abgeordnete Oberst a. D. Rüdiger Lucassen (AfD) im Offizierskasinoton so zusammen: „Ich wünsche den Israel Defense Forces viel Soldatenglück und speziell der israelischen Luftwaffe bei der Suche nach den Terrorführern der Hamas eine gute Jagd und fette Beute.“ Großen Protest gab es im Plenum nicht, nur am Folgetag einen Ordnungsruf, ansonsten folgten alle Fraktionen außer die der Partei „Die Linke“ der Linie von Maas.

Den deutschen Großmedien, allen voran Springers „Welt“ und „Bild“, reichte das nicht. Sie entfachten eine Kampagne gegen überall in der Bundesrepublik herrschenden „importierten Antisemitismus“ und verleumdeten pauschal Demonstrationen für Palästina im AfD-Stil. Auch die deutschen De-facto-Staatsmedien griffen entsprechend ein. So löschte die „Deutsche Welle“ ein Interview, das am 18. Mai live mit dem palästinensisch-amerikanischen Journalisten Ali Abunimah geführt worden war. Zwei Tage später entschuldigte sich der Sender für das Gespräch und entfernte die Aufzeichnung mit der Begründung, dass Abunimahs „Äußerungen antisemitisch sind und terroristische Akte rechtfertigen sollten“. Der Journalist hatte von „Israels Regime von Apartheid, Besatzung und Siedlerkolonialismus“ gesprochen und deutsche Militärhilfe dorthin kritisiert. Kurz zuvor war eine Anweisung des Auslandssenders bekannt geworden, in der es hieß: „Wir verweisen niemals auf eine israelische ‚Apartheid‘ oder ein ‚Apartheidsregime‘ in Israel. Wir vermeiden es auch, von ‚Kolonialismus‘ oder ‚Kolonialisten‘ zu sprechen.“ Statt von „Palästina“ solle von „palästinensischen Gebieten“ gesprochen werden.

Am 20. Mai berichtete die „Berliner Zeitung“, der ARD-Regionalsender RBB habe wegen „handwerklicher Fehler“ einen Beitrag aus der Mediathek entfernt. Ein RBB-Reporter hatte von einer palästinensischen Demonstration in Berlin berichtet: „Es gab keine antiisraelischen Parolen. Die Kritik an der Kriegsführung der Israelis war zu hören. Aber es war kein Judenhass, kein Aufruf zur Gewalt zu hören.“ Das genügte, um unter anderem den Pressesprecher des Justizsenators auf den Plan zu rufen, der auf Twitter fragte, „ob da die professionelle Distanz fehlt“. Die Frage wurde vom Sender flugs mit ja beantwortet.

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"Auf Netanjahus Linie", UZ vom 28. Mai 2021



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