Hoffentlich nicht das letzte: Das neue Album von K.I.Z.

Ausgeteilt

Ganze 21 Jahre leere Behauptungen. Zumindest weiß ich nichts davon, dass einer von K.I.Z mal wirklich mit meiner Mutter gevögelt hat. Skandale werden schnell schlecht. Wer sich jetzt noch über ausgeblichene Vollzeitprovokateure wie Rammstein empört, hing wohl dekadenlang auf der Ladestation. Genauso bei K.I.Z.

Der infantile Altherrenwitz des Deutschrap hat jüngst mit seinem sechsten Album nachgelegt und alle ahnen, was da kommt. Vorangestellt ist der LP einer von jenen, die sich immer noch empören, weil Bigotterie ihr täglich Brot ist: Bernd Baumann, MdB und Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD. Der hatte sich über die Menschenverachtung beschwert, die K.I.Z unter anderem beim völlig harmlosen Studenten-gegen-Rechts-Schunkeln von #wirsindmehr in Chemnitz 2018 von der Bühne aus vermittelt haben sollen. Baumanns Plenarrede im Bundestag war ein einziges Mimimi derer, die sich ansonsten viel Mühe geben, alle zu verachten, die ihnen nicht reich, deutsch, weiß oder hetero genug sind.

Hass gegen Hass? „Manche hassen Zigarettenqualm, manche hassen Sport, manche hassen Juden. Der Inhalt macht aber einen wesentlichen Unterschied. Es ist ein Fehler an sich, jedem, der wütend ist, Hass zu unterstellen“, sagt Maxim von K.I.Z im Interview mit dem „Tagesspiegel“. Und er sagt es so lieb, wie K.I.Z es eben sind. Denn die Dialektik der Band ist: Pöbeln ja, aber nur, weil es muss. Im gleichen Interview sagt Maxim: „Wir sind der Batman der linken Szene, verrichten das notwendige Übel und nehmen in Kauf, schlecht dazustehen. Aber in vielen Jahren werden die Leute verstehen, dass wir nur für sie gekämpft haben.“

Eigentlich wollen K.I.Z, und alle, die sie hören, ja nur ihre präpubertäre Ruhe: „35 ist das neue elf“, ist im Song „Unterfickt und geistig behindert“ auf „Rap über Hass“ ein naiver Wunsch. Nur weil man Lines mit Pennälerhumor stapelt wie andere ihre frisch gewaschenen Unterhosen, rettet man sich noch lange nicht in die kindliche Unmündigkeit zurück. Dafür wissen alle Beteiligten zu viel.

Weil sie wissen, wird ausgeteilt. Im Titeltrack heißt es: „Meine weiße Kleidung ist in der Reinigung/Wir machen eure Kids kaputt wie Heidi Klum/Mit frauenfeindlichem, antisemitischem Dreck/Leute denken, wir hätten was aus der Bibel gerappt.“

Das Album verbreitet die animierende Hektik einer Partynacht samt Bullenwagenklau („Ja“), Deichkind-Party-Momente („Filmriss“) und bietet treibenden Großraumdisko-Elektro in den Hooks („Unterfickt und geistig behindert“). Am Ende kommt mit „Kinderkram“ die melancholische Abhandlung über das nie gewollte Erwachsenwerden, das dann doch kam: „Ist das noch Pubertät oder schon Midlifecrisis?“ „Wollte nur unsterblich werden/Und dann sterben“ („Definition von Glück“) – der Wunsch von allen, die Kunst machen. Ein bisschen Bibel sein, ein bisschen von der Ewigkeit. „Rap über Hass“ wird nicht das Album sein, das K.I.Z in den Klassikerstatus hebt. Dafür sind die Kannibalen musikalisch zu gern in den eigens eingefahren Bahnen und fahren damit in Sachen Publikumserfolg ganz okay. Nicht vergleichbar mit Haftbefehl, der ebenfalls dieses Jahr mit seinem „Schwarzen Album“, als Nachfolger des noch avantgardistischeren „Weißen Album“, den zweiten Anlauf zur Unsterblichkeit genommen hat. K.I.Z, geheimratseckig zwar, stecken dagegen immer noch in ihren Kinderschuhen und feiern sich für ihre Vermessenheit.


K.I.Z
Rap über Hass
Vertigo 2021

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Über den Autor

Ken Merten (seit 1990) stammt aus Sachsen. Er hat in Dresden, Hildesheim und Havanna studiert. Seine Schwerpunkte sind die Literatur der Jetztzeit, Popkultur und Fragen von Klassenkampf und Ästhetik. 2024 erschien sein Debütroman „Ich glaube jetzt, dass das die Lösung ist“ im Berliner XS-Verlag.

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"Ausgeteilt", UZ vom 4. Juni 2021



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