Zukunft der PCK-Raffinerie in Schwedt weiter unklar

Beruhigungspillen statt Öl

Man stelle sich vor, nach einem Rückgang der bundesdeutschen Steuereinnahmen auf 50 Prozent mit der vagen Hoffnung auf weitere 20 Prozent käme von der UNO der schulterklopfende Beruhigungshinweis, das seien doch ordentliche Quoten und damit sei die Zukunft des deutschen Staates gesichert.

Das ungefähr ist die aktuelle Lage für die Kolleginnen und Kollegen des traditionsreichen Petrochemischen Kombinats (PCK) Schwedt, das die Aufgabe hat, den Verkehr in Berlin und Brandenburg am Laufen zu halten – 95 Prozent des dort verbrauchten Benzins, Kerosins und Heizöls kommen von dort. Bis Anfang 2022 lief das dank der Druschba-Pipeline aus den Tagen der Freundschaft zwischen Deutschland und der Sowjetunion geräusch- und problemlos. Das endete mit dem Beginn des US-amerikanisch-westeuropäischen Wirtschaftskriegs gegen Russland und dem seit dem 1. Januar 2023 wirksam gewordenen Verbots der Einfuhr russischen Öls. Seitdem gibt es hektische Bemühungen, das PCK durch andere Rohstofflieferungen am Laufen zu halten.

Politiker aller Hierarchie-Etagen und bürgerlichen Parteien bemühen sich seitdem in Seelenmassage. Die Faktenlage: Russisches Öl verboten, über den Hafen Gdansk in Polen kommen aus aller Welt und in unterschiedlichsten Qualitäten 50 Prozent des für den Betrieb des PCK benötigten Öls. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärt das zu einer „komfortablen Auslastung“. Und das Ministerium fügt hinzu, weitere 20 Prozent könnten möglicherweise über Rostock geliefert werden, wenn die entsprechende Ölleitung das aushält, die allerdings vor Jahrzehnten mal für die ganz andere Richtung – Lieferung von Fertigprodukten aus Schwedt in die Welt – gebaut worden ist.

Der große Hoffnungsträger ist jetzt absurderweise doch Russland, das signalisiert hat, an ihm würde die Durchleitung kasachstanischen Öls durch die alte Druschba(„Freundschaft-“)-Pipeline nicht scheitern. So sieht in der Tat echte Freundschaft aus. Aber auch wenn zur Jahreswende die örtliche „Märkische Oderzeitung“ (MOZ) titelte „Endlich Öl aus Kasachstan – Raffinierie-Mitarbeiter gehen optimistisch ins neue Jahr“, sind die entsprechenden Verträge mit der Pipelinegesellschaft Kaztransoil noch nicht unter Dach und Fach und bislang ist eben noch kein Tropfen des schwarzen Golds aus dem fernen Kasachstan an der Oder eingetroffen.

Das Bangen um Schwedt wird sich also 2023 fortsetzen. Es ist ein Bangen um 1.200 Arbeitsplätze im Werk selbst und weitere tausende, die indirekt am PCK hängen. Die Zitterpartie wird begleitet werden von Engpässen und technischen Umstellungsproblemen auf ganz unterschiedliche Ölqualitäten und einem Dauerringen an der 50-Prozent-Auslastungsgrenze, unter die die Raffinerie nicht rutschen darf, wenn nicht die petrochemisch bedingten Prozessabläufe in Gefahr geraten sollen.

So sicher wie das Amen in der Kirche wird das Bangen begleitet werden durch salbungsvolle Dauerworte des grünen Wirtschaftsministers über die großartige grüne Zukunft eines zukünftigen Wasserstoff-Wirtschaftszentrums an der Oder: Blumige Worte statt Öl und sicherer Arbeitsplätze für Schwedt.

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"Beruhigungspillen statt Öl", UZ vom 13. Januar 2023



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