Macron gewinnt im zweiten Wahlgang. Französische Rechte ist stark wie nie

Das kleinere Elend

Die Faschistin Marine Le Pen wird nicht Präsidentin Frankreichs. Amtsinhaber Emmanuel Macron wurde im zweiten Wahlgang mit 58,54 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Der „Präsident der Superreichen“ also, unter dessen Ägide die Polizei Gewalt-orgien gegen Demonstranten feierte, 18.000 Krankenhausbetten mitten in einer Pandemie abgebaut wurden und die Arbeitslosenversicherung massiv zusammengestrichen wurde. Dessen Politik der breiten Masse der Franzosen sinkenden Lebensstandard beschert, während die Superreichen von historisch niedrigen Steuersätzen profitieren.
Würden Nichtwähler (28,01 Prozent), namenlos abgegebene Stimmkarten und bewusst ungültig gemachte Stimmen im Endergebnis berücksichtigt, läge Macrons Ergebnis bei nur 38,52 Prozent.

Zum dritten Mal in der Geschichte der Fünften Republik hatte es ein Faschist in die Stichwahl um das höchste politische Amt Frankreichs geschafft. Jean-Marie Le Pen scheiterte 2002 noch mit 17,79 Prozent. Seine Tochter Marine kam 2017 schon auf 33,9 Prozent. Jetzt erhielt sie 41,46 Prozent der Stimmen. Die Strategie der „De-Diabolisierung“ des Front National (FN) und dessen Nachfolgepartei Rassemblement National (RN) geht auf. Auch deshalb, weil die französischen Medien Le Pen und anderen Faschisten wie dem im ersten Wahlgang unterlegenen Éric Zemmour viel Raum geben und deren rassistischen Hass als diskutable Meinungen darstellen.

Die Zersplitterung und Schwäche linker Kräfte trägt zur Stärkung der Rechten bei. Mit 21,95 Prozent der Stimmen war Jean-Luc Mélenchon (La France insoumise) im ersten Wahlgang ein Achtungserfolg gelungen. Zum Einzug in die Stichwahl fehlten ihm 1,2 Prozentpunkte. Fabien Roussel, Präsidentschaftskandidat der Französischen Kommunistischen Partei (PCF), bekam 2,28 Prozent. Die französische Sozialdemokratie übrigens, die mit François Hollande noch den Vorgänger Macrons gestellt hatte, hat sich völlig demontiert. Ihre Kandidatin Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, konnte nur 1,75 Prozent der Wähler von sich überzeugen.

Macron hat diese Wahl nicht gewonnen, weil er den Franzosen sein politisches Programm schmackhaft machen konnte, sondern weil er im Vergleich zu Le Pen das etwas kleinere Übel ist. Für seine zweite Amtszeit hatte er schon vor der Wahl asoziale Schweinereien angekündigt: weitere Privatisierungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, sogar in Polizei und Militär, eine Rentenreform, die das Renteneintrittsalter um drei Jahre auf 65 erhöhen soll (sein erster Versuch war am Protest der Gelbwesten gescheitert), eine Bindung der Sozialhilfe an eine Arbeitspflicht, dazu neue Rüstungsrekorde und Atomkraftwerke.

Die Gewerkschaftsverbände haben bereits angekündigt, ihren Protest verstärkt auf die Straße tragen zu wollen. Auftakt ist der 1. Mai. PCF, La France insoumise und die Grünen (EELV) diskutieren über ein Wahlbündnis, um bei der Parlamentswahl Mitte Juni gemeinsam die Mehrheit zu holen. „Wenn wir die Linke ab der ersten Runde der Parlamentswahlen zusammenzählen, können wir den rechtsextremen und den liberalen Block besiegen“, hofft Fabien Roussel, Generalsekretär des PCF.

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"Das kleinere Elend", UZ vom 29. April 2022



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