203.500 Kolleginnen und Kollegen nahmen an Veranstaltungen des DGB teil

Der 1. Mai im Schatten des Krieges

Zum 1. Mai haben sich bundesweit 203.500 Menschen an 401 Veranstaltungen und Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beteiligt, die in diesem Jahr unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ standen.

Der 1. Mai 2022 stand unübersehbar im Schatten des Krieges in der Ukraine. Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, begann seine Rede auf der zentralen Kundgebung des DGB in Berlin mit der Forderung in Richtung Russlands: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern geMAInsam mit der Internationalen Gewerkschaftsbewegung Wladimir Putin auf, den menschenverachtenden Krieg sofort zu beenden. Wir fordern: Waffenstillstand jetzt!“ Er stellte fest, dass „Krieg als Mittel der Politik nach über zwanzig Jahren nach Europa“ zurückgekehrt ist – den NATO-Krieg in Jugoslawien hat er nicht ausgeblendet.

Protestrufe erntete er für seine Positionierung, „wir alle“ würden in der Verantwortung stehen, „einen substanziellen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit im Rahmen der EU und der NATO zu leisten“. Eine eindeutige Positionierung gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm blieb er schuldig. Kolleginnen und Kollegen aus Berliner Kliniken waren hingegen sichtbar mit Schildern und Transparenten, die eine Ablehnung forderten. Aber durchaus deutlich seine Absage an die Politik der Ampelkoalition: „Wir sagen Nein zur massiven Aufrüstung! Wir nehmen es nicht kritiklos hin, wenn die Bundesregierung ankündigt, dass der Rüstungshaushalt dauerhaft auf das 2-Prozent-Ziel der NATO aufgestockt werden soll. Wir brauchen dieses Geld dringend für Zukunftsinvestitionen in eine gerechte Gestaltung der sozialökologischen Transformation. Und wir brauchen es, um die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats zu sichern. Militärische Sicherung darf niemals mit sozialer Unsicherheit erkauft werden.“

180803 Giessen - Der 1. Mai im Schatten des Krieges - 1. Mai 2022, DGB, Reiner Hoffmann - Im Bild
Auf zahlreichen Veranstaltungen wurde, wie hier in Gießen, die UZ angeboten. (Foto: Uwe Lennartz)

Hinsichtlich des bevorstehenden 8. Mai unterstrich der Gewerkschaftsvorsitzende, dass dieser Tag der Befreiung für die Gewerkschaft als Symbol für das Ende der Terrorherrschaft der Nazis und der Gräuel des Zweiten Weltkriegs steht. „Nie wieder Krieg! Das ist für uns die zentrale Lehre aus dieser schrecklichen Vergangenheit. Deswegen engagieren wir Gewerkschaften uns in der Friedensbewegung.“ Die Sicherung des Frieden könne dauerhaft nur durch Völkerverständigung gelingen.

Die Sicherung der Realeinkommen der Beschäftigten werde in den nächsten Wochen und Monaten zu harten Tarifrunden führen. Mit dem Hinweis, dass die Arbeitgeber jetzt lautstark nach Lohnzurückhaltung rufen, wies Hoffmann darauf hin, dass in diesen Wochen 70 Milliarden Euro Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet ausgeschüttet werden, und forderte: „Wir brauchen anständige Tariflöhne und eine deutlich höhere Tarifbindung, damit wieder mehr Menschen unter den Schutz von Tarifverträgen fallen. Es muss Schluss sein mit der täglichen Tarifflucht viel zu vieler Arbeitgeber in unserem Land. Wir brauchen eine Lohn­untergrenze, die vor Armut schützt.“

Hoffmann formulierte durchaus Kritik an der Politik der Regierungskoalition, beispielsweise auch am Festhalten der Schuldenbremse: „Die Bundesregierung muss die Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur, in den Ausbau erneuerbarer Energien, in Kitas, Schulen, Berufsschulen und Hochschulen rasch auf den Weg bringen. Wir bleiben dabei: Mit einer Politik der schwarzen Null und der Schuldenbremse wird unser Land nicht zukunftsfähig!“ Auch daran, dass weder ein gerechterer Einkommensteuertarif noch eine Vermögensteuer geplant ist. „Nicht einmal zu einer Reform der Erbschaftsteuer konnte sich die Ampel durchringen.“

Diese Linien der Rede des DGB-Vorsitzenden zogen sich auch in den über 400 Kundgebungen der Gewerkschaften in der Bundesrepublik durch, vergleichbare Passagen wurden in „Textbausteinen“ den lokalen Rednern zur Verfügung gestellt und auch genutzt. Die Bewertung durch die Zuhörer verlief unterschiedlich, was auch nicht verwundern kann.

180802 Enschede - Der 1. Mai im Schatten des Krieges - 1. Mai 2022, DGB, Reiner Hoffmann - Im Bild
Erstmalig hat die „Partnerschaft des Internationalen Gewerkschaftsrates Twente-Achterhoek-Münsterland am 30. April 2022 eine Maiveranstaltung mit 150 Teilnehmern in Enschede durchgeführt. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der PvdA, SP, Groen-Links und der NCPN, die auch die DKP hierzu eingeladen hatte. Diese Parteien hatten einen gemeinsamen Infostand, auf dem auch die UZ ausgelegt war. Die NCPN Enschede hat eine kleine Songgruppe, die dann im DGB-Pavillon das Solidaritätslied und zum Veranstaltungsabschluss die Internationale anstimmte. (Foto: Klaus Kuhmann)

180804 Strausberg - Der 1. Mai im Schatten des Krieges - 1. Mai 2022, DGB, Reiner Hoffmann - Im Bild
Infostand der DKP in Strausberg (Foto: Nils Borchert)

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Der 1. Mai im Schatten des Krieges", UZ vom 6. Mai 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit