Novellierung des „Stasi-Unterlagen-Gesetzes“

Die Hatz geht weiter

Von Nina Hager

Es war ein deutliches Signal, wie man staatlicherseits den 30. Jahrestag der Grenzöffnung und im nächsten Jahr „30 Jahre deutsche Einheit“ begehen will. Natürlich nicht mit Sachlichkeit oder gar einer Geste der Versöhnung.

Am Mittwoch der vorigen Woche beschloss die GroKo eine Novellierung des „Stasi-Unterlagen-Gesetzes“. Die Überprüfung von leitenden Mitarbeitern im Öffentlichen Dienst auf eine mögliche hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit im beziehungsweise für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) soll fortgesetzt werden.

Auf die Verlängerung des Gesetzes, dessen Regelungen Ende 2019 ausgelaufen wären, hatten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt. Die Verlängerung soll bis zum Jahr 2030 gelten, also bis zum 40. Jahrestag der deutschen „Einheit“. Es ist abzusehen, dass der Bundestag zustimmt.

Auf frühere Tätigkeiten werden beispielsweise Mitglieder der Bundesregierung, Militärs, Richter und Richterinnen sowie Beschäftigte im Öffentlichen Dienst ab einer bestimmten Besoldungsstufe überprüft. Treffen kann es auch weitere Beschäftigte.

Im Jahr 2018 wurden nach Angaben der sogenannten Stasi-Unterlagen-Behörde 167 Anträge auf Überprüfung eines Mitarbeiters im Öffentlichen Dienst gestellt. Zum Zwecke der Überprüfung von Mandatsträgern gab es 446 Anträge.

Wie eine „Überprüfung“ heutzutage abläuft und welche Folgen das haben kann, zeigte die Kampagne gegen Andrej Holm, geboren im Oktober 1970 und im Herbst 1989 gerade mal 19 Jahre alt. Nach den Abgeordnetenhauswahlen 2016 wurde er in Berlin 2016 zum Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen berufen. Weil er im September 1989 Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit wurde und bis zur Auflösung des Ministeriums Ende Januar 1990 blieb und dies später verschwieg, begann eine wilde und üble Kampagne gegen ihn – und die Senatorin Katrin Lompscher (Partei „Die Linke“). Holm musste gehen. Er könnte nun nicht der Letzte oder einer der Letzten bleiben.

Die Novellierung geht einigen jedoch nicht weit genug. Nicht das MfS dürfe im Mittelpunkt stehen, kritisierte der „Historiker“ Ilko-Sascha Kowalczuk. Da kaum noch jemand da sei, der überprüft werden könne, handele es sich um eine „Schein- und Symbolpolitik“. Man müsse die ganze SED-Diktatur und vor allem die SED – und auch die Blockparteien in der DDR – im Fokus haben. Kowalczuk ist Projektleiter in der Forschungsabteilung der sogenannten Stasi-Unterlagen-Behörde.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Die Hatz geht weiter", UZ vom 24. Mai 2019



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