Eine Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft widmet sich dem Verhältnis Hacks‘ zum Marxismus

Die Wahrheit ist immer marxistisch

Olaf Brühl

Unter dem Titel „Unendlich nur ist der Zusammenhang“ – Hacks und der Marxismus“ findet am 31. Oktober 2020 in Berlin die 13. wissenschaftliche Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft statt.

Peter Hacks gehörte als Dichter und Dramatiker wie auch als Essayist und Briefeschreiber, als ein Analytiker der Welt- und Zeitläufe zu den hervorragendsten Marxisten unter den deutschen Kommunisten unserer Epoche. Damit steht er unverrückbar an der Seite Brechts, gegen dessen Rat er in den fünfziger Jahren Bürger der Deutschen Demokratischen Republik wurde. Noch 1989 begrüßte er den jungen Schriftsteller Ronald M. Schernikau als einen der letzten Vernunftbegabten, weil dieser im Herbst ‘89 aus der ehemaligen BRD in die bereits in Zerlegung und Verramschung begriffene DDR übersiedelte. Hacks‘ explizit marxistische Texte sind in dem posthum von Heinz Hamm herausgegebenen Band „Marxistische Hinsichten“ dokumentiert. Hacks‘ Denkweise und Haltung kommen allerdings nicht minder in seiner Kinderliteratur, in Gedichten, Dramen und Geschichten zum Ausdruck – Marxismus ist in seinem Werk allgegenwärtig. Wie aktuell und relevant das 2020 ist, belegt genauso das Diktum zur Klassik: „Wer Goethe sagt, muss Hegel sagen, und wer Hegel sagt, sagt Marx“, wie der zutiefst marxistisch begründete Satz: „Kommunismus ist die Zeit, wenn Shakespeare verstanden wird.“

Die Dialektik des historischen Materialismus bestimmt nicht minder den Briefwechsel, den er nach dem Ende der DDR über die Konterrevolution und ihre Funktion für den Umbau des Staates nach rechts sowie kommunistische Perspektiven mit Hans Heinz Holz führte, mit André Müller, mit Kurt Gossweiler. Zu diesem konstatiert er (am 9. 3. 1998) „das Gossweilersche Gesetz“: „Es lautet: Jede kommunistische Bewegung zu jeder Zeit seit 1848 ist zu einem etwa konstanten Anteil mit Kräften durchsetzt, denen die ganze Sache zu anstrengend ist und die potentiell bereit sind, die Friedensangebote, die die Bourgeoisie ihnen macht, wohlwollend zu prüfen.“ Insofern geht es auf der Tagung auch um Strömungen, die Hacks ablehnte (Trotzkismus, westlichen Maoismus, die Neue Linke im Westen, Linksradikalismus und weiteres), die romantischen Strömungen also. Man sieht, es gibt der Gründe genug sogar für DKP-Mitglieder, sich mit Hacks und dem Marxismus zu befassen.

Wie alle Jahre findet auch die 13. wissenschaftliche Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft im Magnus-Haus, Am Kupfergraben 7, in 10117 Berlin-Mitte statt. Termin: Samstag, 31. Oktober; Zeit: 10 Uhr bis 18 Uhr (Voranmeldung erforderlich). Eine illustre Reihe von Referenten aus dem In- und Ausland garantiert sowohl höchstes geistiges Vergnügen als auch Gewinn an Klassenbewusstsein, geplant sind über den Tag zehn Referate/Vorträge. Schließlich: „Teilnahme an den Dingen ist das einzige Reelle“, so sagt das bereits Goethe. Eine kleine Auswahl sei genannt:

  • Marlon Grohn, studierter Germanist und Soziologe aus Köln, referiert über „Volk, Demokratie und Absolutismus – die Frage der Machtbasis im Sozialismus bei Peter Hacks“. Peter Hacks entwickelt in seinen Dramen und Essays eine konsequente Fortführung der marxistischen Theorie, bei der er sich vor allem auf die nach Marx gewonnenen historischen Erfahrungen von Kommunisten, ihren Revolutionen und ihren Staaten stützt. Er reformuliert unter geänderten Bedingungen wichtige Aspekte der Staats- und Demokratietheorie des Marxismus – vor allem Fragen der Macht und des institutionellen Fundaments, auf dem diese im Sozialismus beruhen soll.
  • Gregor Schäfer, Doktorand an der Universität Basel, spricht über „Die Weltseele zu Pferde. Spekulative Betrachtungen zum ‚welthistorischen Individuum’ zwischen Politik und Kunst“

„Auch wenn es“, so bemerkt Hacks 2003 in einem Gespräch, „für einen Marxisten peinlich ist, es zu sagen, die Figur, die vorne steht, spielt mehr als nur eine Beirolle.“ Ohne dass in Hacks’ Konzeption des Marxismus Einsichten in objektive Zusammenhänge geleugnet würden, zeichnet es sie auffällig aus, dass sie der Figur des Revolutionsführers und des Staatsmannes eine bestimmende Rolle vorsieht. Welche sachliche Bewandtnis aber hat es hiermit? Und in welcher Verbindung steht diese politische Erkenntnis – worauf die Rede von „Figur“ und „Beirolle“ hindeutet – mit der Dichtung und der Ästhetik Hacks’?

  • Jakob Hayner, Redakteur der Zeitschrift „Theater der Zeit“, lebt in Berlin und denkt nach über „Die Romantik als Zentrum einer marxistischen Ästhetik?“

Nach dem marxistischen Literaturtheoretiker Terry Eagleton gibt es in der Moderne drei zentrale Fragen: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Wozu fühlen wir uns hingezogen? Die letzte Frage sei in besonderem Maße dem Ästhetischen zugehörig. Die Künstler arbeiten an den Empfindungen der Menschen und somit am Möglichkeitssinn der Menschheit. Nun gibt es nach Eagleton in der Moderne aber eine Spielart des Ästhetischen, die sich im Gegenteil dem Unmöglichkeitssinn verschrieben hat. Die wird für gewöhnlich Romantik genannt. Wie kaum ein anderer hat Peter Hacks die Frage der Romantik als zentral für den Klassenkampf in der Literatur verstanden.

Alle Informationen zur Tagung unter: peter-hacks-gesellschaft.de/tagung

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"Die Wahrheit ist immer marxistisch", UZ vom 2. Oktober 2020



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