Zu Lawrows Antwort auf deutsches Schmierentheater

Ende der russischen Geduld

Die Bundesregierung ist verärgert. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte Sanktionen gegen „leitende Mitarbeiter der Führungsapparate in der BRD und Frankreich“ angekündigt. Weil Deutschland an der Durchsetzung der EU-Sanktionen führend beteiligt gewesen sei, werde die russische Antwort „spiegelgerecht ausfallen“. Das ist natürlich unerhört. Nun weiß doch jedes Kind, dass Sanktionen das gottgegebene Recht des freien und demokratischen Westens sind.

Dem russischen Chefdiplomaten, bekannt für seine geduldige und strategisch angelegte Verhandlungsführung, war schließlich der Geduldsfaden gerissen. Sergei Lawrow hatte einsehen müssen, dass er bei Leuten vom Schlage eines Mike Pompeo oder Heiko Maas, deren Fähigkeit, die eigenen Interessen und Möglichkeiten einzuschätzen eingeschränkt zu sein scheint, nicht erfolgreich würde sein können. Die US-Amerikaner hatten die Richtung vorgegeben: Tough gegen Russland. Und Germans an die Front. Der sozialdemokratische Spitzendiplomat hatte verstanden, dass diese Marschrichtung auch unter Joe Biden beibehalten wird, und hofft nun, in Washington wieder ins Spiel kommen zu können, wenn er sich hier bewährt.

Wie immer war dem Deutschen nichts Gescheites eingefallen, mit dem er seine Washingtoner Paten hätte beeindrucken und die russischen Geschäftspartner nachhaltig vor den Kopf hätte stoßen können. Diese Nawalny-Nummer war so ziemlich die absurdeste und durchsichtigste Klamotte, mit der Berlin seit langem hausieren gegangen ist. Warum sollten so versierte Politiker wie Wladimir Putin und Sergei Lawrow Herrn Nawalny, dessen Popularität sich in Russland um die 5 Prozent bewegt, umbringen wollen? Und warum versagt der angeblich so übermächtige russische Geheimdienst FSB dabei so eklatant? Und was ist mit dem „tödlichsten Kampfstoff der Welt“, bei dem selbst kleinste Dosierungen binnen Minuten zum Tode führen, wenn Putins „Opfer“ regelmäßig überleben? Und warum lässt der FSB Herrn Nawalny nach Deutschland ausfliegen, anstatt ihn, wenn es schon im Flieger nicht geklappt hat, im Krankenhaus oder auf dem Weg dorthin umzubringen? Lawrow nannte dieses absurde Theater, „eine Verhöhnung des gesunden Menschenverstandes“.

Diese Story ist so dünn und stinkt so miserabel, dass die europäischen „Partner“ nicht gerade mit Hurra-Gebrüll auf Heiko Maas‘ Sanktionszug aufsprangen. Wieder musste Berlin das große Erpressungsbesteck auffahren, um die Europäer, die sich mit ganz anderen Sorgen abplagen, für den anti-russischen Kreuzzug zu gewinnen. Der „Spitzendiplomat“ Maas glaubte die Russen in den Bauch treten und gleichzeitig gute Geschäfte mit ihnen machen zu können.

Sergei Lawrow sah sich schließlich genötigt, die Reißleine zu ziehen: „Die Leute, die für die Außenpolitik im Westen verantwortlich sind, verstehen die Notwendigkeit gegenseitigen Respekts in einem Dialog nicht. Und dann müssen wir wahrscheinlich für einige Zeit aufhören, mit ihnen zu reden.“

Die deutschen Ausfuhren nach Russland hatten 2019 ein Volumen von 26,5 Milliarden Euro. Russland kann auch woanders kaufen. Es muss sich nicht herumschubsen lassen. Die strategische Partnerschaft mit China, die eurasische Integration, bietet dem Land große neue Möglichkeiten. Auch für russische Fossilenergie. Das Land geht nicht unter, wenn „Nord Stream 2“ nicht in Betrieb geht. Das scheint Washingtons Laufjunge Heiko Maas nicht verstanden zu haben. Allerdings, es wird auch nicht besser, wenn Herr Maas im nächsten Jahr durch Frau Baerbock oder Herrn Habeck ersetzt wird.

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"Ende der russischen Geduld", UZ vom 20. November 2020



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