Internationaler Gerichtshof sieht Anzeichen für Völkermord in Gaza

Erfolg für Südafrika

Die Entscheidung fiel schneller als erwartet. Ende Dezember hatte Südafrika beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage im Eilverfahren gegen Israel erhoben. Am vergangenen Freitag votierten 15 der 17 Richter für den Erlass von gerichtlichen Sanktionen und Sofortmaßnahmen gegen Israel.

Das Gericht folgte damit nahezu allen von Südafrika beantragten Maßnahmen, erließ allerdings keine einstweilige Verfügung zur unmittelbaren Einstellung israelischer Kampfhandlungen. Zugleich hat das Gericht die Weichen für das Hauptsacheverfahren gestellt, in dem über den Völkermordvorwurf entschieden werden wird. Entgegen der Argumentation der israelischen Vertreter in der Prozessanhörung vor drei Wochen ist der IGH ganz offensichtlich der Auffassung, dass die Klage Südafrikas zulässig ist und hält folglich auch seine Zuständigkeit für gegeben.

Die gerichtliche Anordnung geht auf Basis der von Südafrika in der 84-seitigen Klageschrift vorgelegten Beweise davon aus, dass „hinreichende Anhaltspunkte“ dafür bestehen, dass die israelische Militäroperation im Gaza einige oder mehrere genozidale Tatbestände aus Artikel II der Völkermordkonvention verwirklicht haben kann. Israel wird daher vom Gericht angewiesen, verschiedene Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass solche Verstöße nicht (mehr) vorkommen. Zusätzlich, das richtet sich nicht nur an das Militär, sondern ist an die Regierung Israels unter Benjamin Netanjahu adressiert, wird Israel angehalten, die Versorgungslage in Gaza zu verbessern und im öffentlichen Leben Israels Anstachelungen zum Genozid zu unterbinden. Zu allem muss Israel binnen eines Monats einen detaillierten Bericht über jede seiner Aktivitäten vorlegen, dessen Inhalt vom Gericht geprüft werden wird.

In einem ersten Interview mit der „Jerusalem Post“ gab die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor ihrer Zufriedenheit über die Entscheidung des IGH Ausdruck: Das Gericht habe der internationalen Rechtsstaatlichkeit einen „entscheidenden Sieg“ beschert. Ganz still geworden ist es dagegen um die noch vor Wochen lauthals angekündigte Nebenintervention Deutschlands auf dem internationalen Gerichtsparkett. Vollmundig hieß es am 12. Januar vom Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, der gegen Israel erhobene Vorwurf des Völkermords „entbehrt jeder Grundlage“. Den Haag hat nun vorgeführt, wem die Grundlagen fehlen. Man darf gespannt sein, ob die Völkerrechtsexperten im deutschen Außenamt nun überhaupt noch den Schneid haben, tatsächlich dem Rechtsstreit auf Seiten Israels beizutreten. International isoliert hat sich Deutschland bereits.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Erfolg für Südafrika", UZ vom 2. Februar 2024



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