31. nordrhein-westfälische Antifa-Konferenz in Solingen

Es ist deutsch in Kaltland – oder?

Von VVN-BdA NRW/UZ

Die Themen der Konferenz

– Wie Nazis und Rassisten sich heute vernetzen.

– Die Rolle der Sprache – diese Frage stellt sich heute noch mehr als damals.

– Antifaschismus und soziale Frage – die Nazis nutzen die Krise zu ihrer Hetze.

– Fluchtursachen und Antimilitarismus – Flüchtlinge werden durch Kriege auf den Weg gebracht, – Kriege, die nicht sie zu verantworten haben. Mehr denn je gehören Antifaschismus, Antirassismus und Antifaschismus zusammen.

– Recht auf Demo und Aktion – hier geht es um konkrete Hilfen

– Eine neue Zeitzeugengeneration meldet sich zu Wort. Sie nennen sich Kinder des Widerstandes oder 2. und 3. Generation. Hier geht es um Gedenk- und Erinnerungsarbeit unter völlig veränderten Bedingungen.

Bereits zum 31. Mal initiierte die VVN-BdA eine landesweite Konferenz antifaschistischer Initiativen und Organisationen. Weit über einhundert Teilnehmende aus Nordrhein Westfalen diskutierten am 30. Januar im COBRA-Kulturzentrum Solingen aktuelle Aufgaben der Bewegung im sozialen, juristischen und generell im öffentlichen Bereich. Das im Anschluss an die Konferenz stattfindende Konzert „Rock gegen Rassismus“ war Höhepunkt des Tages für viele Jugendliche. Die Halle des COBRA war fest in der Hand der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Zwei erstklassige Nachwuchsbands und die Punkrocker Schmutzki aus Stuttgart feuerten die randvolle Halle an.

Die unter dem Motto „Es ist deutsch in Kaltland – ODER?“ stehende Konferenz wurde durch den Landessprecher der VVN-BdA Falk Mikosch eröffnet. Seine Eröffnungsrede war voller aktueller Bezüge wie: „Die Kanzlerin Angela Merkel sagte jetzt anlässlich der Einweihung einer Ausstellung mit Bildern aus Vernichtungslagern „Das, was geschehen ist, für immer im Gedächtnis behalten, das Andenken an die Opfer zu bewahren und uns mit ganzer Kraft für das Nie wieder! einzusetzen.“ Leider setzt Merkel dieses ‚Nie wieder!‘ nicht auch der Kriegsbeteiligung entgegen. Über 130 Milliarden Euro will die Bundesregierung in den nächsten 15 Jahren ausgeben, um noch mehr Krieg zu führen. Dem setzen wir unser Nie wieder! entgegen.“

Falk Mikosch wies auf die zentrale Fluchtursache ‚Krieg‘ hin. Er kennzeichnete die antifaschistische Bewegung als Teil auch der Friedensbewegung.

In einem Workshop bearbeiteten die Teilnehmenden Zusammenhänge zwischen der sozialen Frage und Rassismus. Die fatalen Wirkungen von Lebensumständen, die ohnmächtig machen, und Prekarisierung bis hin zur Affinität für rassistisches Gedankengut wurden diskutiert. Die Konsequenz einer sozialen Politik, Alternativen wie das bedingungslose Grundeinkommen und generell eine antikapitalistische Politik waren Thema. Letztlich drängt der Kapitalismus vor allem in Krisenzeiten immer zur Demontage sozialer Rechte mit allen Folgen für die Opfer.

Juristische Dimensionen des Demonstrationsrechtes wurden in einem weiteren Workshop diskutiert. Hier ging es um Hilfen für die Demokratinnen, Demokraten durch Juristinnen, Juristen aus der Bewegung, um willkürlichen Entscheidungen qualifizierte Antworten entgegensetzen zu können. In der Arbeitsgruppe ‚Kinder des Widerstands‘ stellten fünf Kinder antifaschistischer Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer die Notwendigkeit heraus, die Bildungsarbeit in den Schulen und in der Jugend allgemein mit antifaschistischer Aufklärung zu bereichern.

Die Aufklärung über die Vernetzung der Neonazis und über ihre gefährliche Propaganda hatte eine weitere Arbeitsgruppe zum Schwerpunkt. Viele Teilnehmende, die sich bisher kaum mit sozialen Netzwerken und ihrer Bedeutung beschäftigt hatten, nahmen sich vor, hier stärker Themen zu setzen. Die Arbeitsgruppe über die Rolle der Sprache wurde von Lennard Surmann vom Duisburger Institut für Sozialforschung moderiert. Kernaussage war: „Demokratinnen und Demokraten haben im antifaschistischen Kontext die Aufgabe, sich gegen alle noch so versteckten Abwertungen durch entindividualisierende Gruppenzuordnungen zu stellen. Sie haben auch mit jenen zu reden, die nicht privilegiert sind und die Ziel rechtspopulistischer Propaganda sind.“

Die sehr gute Beteiligung in den insgesamt sechs Arbeitsgruppen zeigte, dass es einen großen Bedarf an Diskussion über das Wie weiter? in der antifaschistischen Bewegung gibt. Auch die große Beteiligung vor allem Jugendlicher am Konzert Rock gegen Rassismus abends bewies das große antirassistische und antifaschistische Potential, das vorhanden ist. Dieses Potential gilt es in Bewegung zu bringen. Leider war das Abschlussplenum mit seinen eher zufällig gestalteten Berichten aus den Workshops zu wenig auf die weitere Arbeit orientiert. Es wurde zu sehr dem Zufall überlassen, welche Schwerpunkte die jeweiligen Berichterstatterinnen und Berichterstatter setzten. Auch undifferenzierte Aussagen wie die, dass in den Schulen der Geschichtsunterricht vor 1933 endet und erst etwa mit der BRD-Gründung und dem Wirtschaftswunder wieder beginnt, blieben ohne Diskussion.

Zum Schluss fehlte leider auch ein bilanzierender Austausch über die Aktionsbereiche aus den Workshops, aus den Regionen des Landes und aus den lokalen Initiativen vor Ort. „Man könne den Ostermarsch immer kritisieren und verbessern“ stellte Willi Hoffmeister, Initiator des Ostermarsches Rhein Ruhr zum Schluss fest. „Tatsache sei jedoch, dass die Ostermarschbewegung nach wie vor die größte Friedensbewegung in Deutschland ist“. Mit seinem Appell zur Teilnahme am Ostermarsch Rhein-Ruhr beendete er die Konferenz antifaschistischer Initiativen und Organisationen.

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"Es ist deutsch in Kaltland – oder?", UZ vom 5. Februar 2016



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